Weltblick
eines Humusbauern

2 Hände voll Kompost

Anhand der Bodenlebewesen die Welt erklären? Das schafft nur Hubert Stark, besser bekannt als ‚Humusbauer‘. Er betreibt mit seiner Frau Martina einen Biohof im Waldviertler Litschau und hat sich auf Humusaufbau im Boden spezialisiert. Gemeinsam mit anderen rief er die „HUMUS Bewegung“ ins Leben. Wir sprachen mit ihm über seine Leidenschaft Humus und die Sinnhaftigkeit von regenerativer Landwirtschaft, die den Wiederaufbau des Mutterbodens in den Fokus rückt.

Was ist Humus genau?

Es gibt verschiedene Erklärungen: z.B. „tote, abgestorbene organische Substanz“. Wir meinen hingegen damit das Bodenleben, die ‚lebendige Erde‘. Eine Hand voll Erde enthält mehr Mikroorganismen, als es Menschen auf der Welt gibt.

Und was kann er?

Ein gesunder, humusreicher Boden kann irrsinnig viel Regenwasser aufnehmen, reinigen und langsam wieder abgeben. Humusreicher Boden ist extrem wichtig für die Wasserqualität.
Weiters besteht Humus aus Kohlenstoff. Je mehr Bodentierchen im Boden sind, desto mehr CO2 wird eingelagert. Ein guter ‚Nebeneffekt‘ unserer Arbeit für die Bewältigung der Klimakrise.
Mir wurde das Thema vielleicht auch etwas in die Wiege gelegt: Als ich 5-6 Jahre alt war, sammelten wir Kinder am frisch gepflügten Acker die Regenwürmer ein und steckten sie in die Hosentasche. Sie kamen erst am Abend im Bad wieder raus, als wir die Hosen auszogen. Man kann sich vorstellen, was unsere Mutter dazu sagte … (lacht).

Warum beschäftigt ihr euch mit Humusaufbau?

Wir möchten den Boden so hinterlassen, dass unsere Enkelkinder noch davon leben können. Dass wir ihn nicht ausbeuten, sondern etwas zurückgeben.

Mann bearbeitet Kompost

Was sind die größten Unterschiede zwischen eurer und der konventionellen Landwirtschaft?

Die größten Unterschiede zwischen unserer Bewirtschaftungsweise und der herkömmlichen Bewirtschaftungsweise – egal ob das Bio oder konventionell ist – ist, dass bei uns der Fokus immer auf der Mikrobiologie liegt.
Bevor wir in den Boden eingreifen, fragen wir, wie es dem Mikrobiom geht. Wird es ‚gefüttert‘ oder gestört?

Das Mikrobiom ist die Gesamtheit aller Mikroorganismen im Boden: Kleinstlebewesen, Bakterien, Pilze, uvm.
Quelle: Open Science

Warum ist die regenerative Landwirtschaft der richtige Weg?

Regenerieren bedeutet ‚etwas besser machen‘, die Böden zu verbessern.
Wir schieben unsere Probleme oft aufs Wetter, auf die Klimaveränderungen. Es geht darum, Bewirtschaftungsweisen zu etablieren, die damit umgehen können. Neal Kinsey, Bodenexperte aus den USA, hat in seinem Buch geschrieben:
„Es ist feige von Landwirt*innen, sich immer auf das Wetter auszureden.“ Das kann ich nur bestätigen. Das Wetter muss man so nehmen, wie es ist.

Kompostbox

Wie wird die Landwirtschaft klimafitter?

Bei uns ist der Boden das ganze Jahr bewachsen, das heißt, wir pflanzen Untersaaten oder Beisaaten, die den Boden permanent begrünen, ohne die Hauptkultur zu schädigen.

Untersaat: zB. niedrigwachsende Weidelgräser. Sie begrünt das Feld dann, wenn die Hauptkultur bereits abstirbt oder abgeerntet ist. Beisaat: zB. Leguminosen, Gräser, Kreuzblütler. Sie wird der Hauptkultur ‚beigesät‘. Sie wächst mit der Hauptkultur mit und stirbt vor der Ernte der Hauptkultur ab.

Dabei erleben wir, dass unsere Erträge kontinuierlich steigen – egal, ob das Wetter extrem trocken, extrem heiß oder regenreich war. In Gebieten, wo es überhaupt nicht regnet, stechen regenerativ bewirtschaftete Felder plötzlich heraus, weil dort ein ganz normaler Ertrag wächst. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir am richtigen Weg sind.

In der Landwirtschaft redet man oft von einem optimalen Humusgehalt von 2-3 Prozent. In Wahrheit sollte der natürliche Boden 7-8 Prozent haben, aber damit muss man auch umgehen können. Bei einem hohen Humusgehalt werden auch sehr viele Nährstoffe frei. Wenn die Kulturpflanze das gerade nicht braucht, dann wächst Unkraut. Da gibt es viel zu lernen: Warum sind welche Unkräuter da? Wie schafft man es, dass man die Nährstoffdynamik im Boden immer stabil hält?

Es gibt den schönen Spruch: ‚Der beste Landwirt ist der, der in diesem Jahr unter diesen Umständen den geringsten Fehler macht.‘
Wir wären nie dorthin gekommen, wo wir jetzt sind, wenn wir nicht experimentiert hätten, drangeblieben und konsequent gewesen wären. Es gibt immer Tiefschläge, die dich sehr schnell in alte Muster kippen lassen. Das ist das Schöne an unserer „HUMUS Bewegung“. Wir helfen uns gegenseitig.

Was kann deine Art der Landwirtschaft in Krisenzeiten leisten?

Mit wenig Aufwand einen möglichst konstanten Ertrag zu erzielen – das ist die Kunst. Dafür ist wiederum das Mikrobiom oder der Humus der Schlüssel. Je mehr das Mikrobiom geschädigt ist, desto weniger funktionieren alle nachgelagerten Maßnahmen.

Wie würdest du die gesellschaftlichen Zusatzaufgaben der Landwirtschaft beschreiben, am Beispiel eures Hofs?

Biodiversität ist natürlich ein Schlagwort. Mit der Untersaat oder Beisaat, haben wir Biodiversität auf jeder Fläche. Ich würde mir wünschen, dass das bei den Betrieben noch mehr ankommt. So könnten sich wieder mehr Insekten etablieren, sich das Mikrobiom entwickeln. Dazu braucht es auch die passenden politischen Vorgaben.

Lässt sich das kleine Mikrobiom auch auf das große umlegen?

Ich vergleiche das Mikrobiom oft mit den Menschen. Im Mikrobiom gibt es für alles irgendwen, der*die etwas kann. Beim Menschen ist es dasselbe: Jede*r für sich hat Fähigkeiten, die er*sie besonders gut kann. Stell dir vor, es gäbe nur noch Tischler*innen auf der Welt. Es wäre eine Katastrophe, oder? Wenn wir die unterschiedlichen Fähigkeiten einsetzen, dann kommen wir voran. Beim Mikrobiom ist es dasselbe, bei der Biodiversität auch. Jede Pflanze kann was anderes, jede Pflanze ‚hält‘ sich ihre eigenen Tiere und so wird der Boden automatisch biodiverser.

Was wünschst du dir für die Zukunft der Landwirtschaft?

Dass seitens der Konsumierenden den Landwirt*innen mehr Wertschätzung zukommt. Von bäuerlicher Seite wünsche ich mir, dass der Blick wieder mehr auf den Boden, die lebendige Erde geht. Dass nicht nur Kapital zählt, sondern, dass wir die Erde lebendig halten, damit auch unsere Nachkommen noch einen gesunden Boden vorfinden.
Ich wünsche mir, dass wir alle vom Kapitalismus wegkommen und eine Gesellschaft werden, die achtsam und wertschätzend miteinander und mit der Umwelt umgeht.

Für mich war immer klar, dass ich Bauer werden wollte. Die zweite Option war Pfarrer, denn wir hatten einen sehr lieben, der mir das riet. Mittlerweile habe ich manchmal den Eindruck, ich habe die beiden Berufe vereint, weil ich wie ein Wanderprediger herumgehe, um den Leuten vom Humus zu erzählen.

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Hubert Stark
Hubert Stark

betreibt mit seiner Frau Martina einen gemischten Betrieb mit Ackerbau, Grünland und derzeit 20-25 Mutterkühen sowie 150-160 Bio-Mastschweinen. Für letztere ist er Vertragspartner des Lampert Unternehmens und erfüllt die Prüf Nach!-Richtlinien. Mohn und Kartoffeln vermarktet er direkt. Seit 1991 wirtschaftet er nach biologischen Richtlinien, seit 2019 ist er Demeter-zertifiziert. Zusätzlich ist er Obmann der Organisation Bioschwein-Austria, die sich um Abnehmer*innen für Bioschweine bemüht. Aus Begeisterung und Leidenschaft mitbegründete er die „HUMUS Bewegung“ als unabhängiges, bäuerliches Netzwerk. Die Familie bietet auch „Urlaub am Bauernhof“.

 

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