Wir schreiben den 5. März 2017. Ein Sonntag. Der Winter verabschiedet sich, der Frühling schickt sich an, zu übernehmen. Zeit des Aufbruchs. Vor einigen Tagen hatte Nini Tsiklauri einen Twitter-Aufruf gestartet: „Pro-Europäer, holen wir #PulseofEurope nach Wien!“ Mit ihrer neuen Europaflagge macht sie sich auf den Weg zum Wiener Karlsplatz. „Komplett ohne Erwartungen“, wie sie später zugibt. Als sie ankommt, trifft sie Menschen, die offensichtlich dieselbe Idee hatten. „Völlig Fremde“, schildert die 25-Jährige. „Aber nach wenigen Sätzen war es so, als hätten wir uns schon immer gekannt.“
Europa und sein verstimmter Rhythmus
Die Antwort: Die Initiative „Pulse of Europe“ – Europas Puls. Dieser hatte zu der Zeit schon länger mit Rhythmusstörungen zu kämpfen. Der Brexit, die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, die bevorstehenden Urnengänge in Frankreich und den Niederlanden: Das bereitete unzähligen Bewohnern des Kontinents Sorgen. Darunter Daniel und Sabine Röder. Das Rechtsanwalts-Paar aus Frankfurt entschloss sich daher im November 2016, für die ihnen so wichtigen europäischen Werte aufzustehen. Per E-Mail mobilisierten sie Freunde. „Pulse of Europe“ war geboren.
Die Initiative will an jedem ersten Sonntag im Monat all jenen eine Stimme geben, die an die Idee Europa glauben.
„Weil es nicht mehr reicht, mit Rotwein am Tisch zu sitzen und sich gegenseitig zu versichern, dass man recht hat. Weil ich denen Mut machen will, die schweigen. Wir sind auch noch da“, erklärte Daniel Röder gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Kurz gesagt: Flagge zeigen. Die Europaflagge.
Europäischer Gedanke schwappt über den Kontinent
„Pulse of Europe“ breitete sich in Windeseile in alle Himmelsrichtungen aus. Nach nur zwei Monaten waren Menschen in gut 80 Städten dem Frankfurter Vorbild gefolgt. Nur in Österreich war es noch still.
Das wurmte Nini Tsiklauri. „Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass die Initiative endlich auch hier ankommt. Zu dieser großen Welle wollte ich unbedingt etwas beitragen.“
Also steuerte sie an eben jenem 5. März 2017 den Karlsplatz an. Der Rest ist Geschichte. Seither gab es in Wien einige Zusammenkünfte mit bis zu 400 Teilnehmern. Nach der Sommerpause nimmt die Initiative ab Oktober wieder Fahrt auf.
„Wir wollen die Leute dazu animieren, selbst aktiv zu werden und Verantwortung zu übernehmen“, erklärt Tsiklauri.
Gelegenheit dazu gibt das offene Mikrofon. Eine Rednerbühne, die alle Besucher nutzen können.
„Das Schöne an ‚Pulse of Europe‘“, schwärmt sie, „ist, dass es egal ist, wie alt du bist. Es ist egal, aus welchem sozialen Umfeld du stammst. Bei uns kommen Leute zusammen, die sich im Normalfall niemals treffen und sich schon gar nicht austauschen würden. Es tut wahnsinnig gut, persönlich mit den Menschen zu sprechen.“
Diskussionen jederzeit erwünscht
Dabei müssen die pro-europäischen Standpunkte gar nicht unbedingt geteilt werden.
„Auch kritische Meinungen sind gerne gesehen“, versichert die Politik-Studentin. „Nur dadurch entwickeln sich Diskussionen.“ Gefragt nach bisherigen Highlights muss sie nicht lange überlegen. „Ich habe Österreich immer als eine Art Schmelztiegel und Schlüssel nach Ost-Europa gesehen“, erklärt Nini Tsiklauri. „Meine Hoffnung war, dass ‚Pulse of Europe‘ von hier aus den Sprung in den Osten schaffen kann. Das ist gelungen.“
Seit Kurzem nehmen beispielsweise in Ungarn die Leute ihre Europaflaggen in die Hand und gehen damit auf die Straße.
Über die Initiative „Pulse of Europe“
Wie soll die Zukunft Europas aussehen? Um auf diese Frage Antworten zu finden, kommt die Initiative „Pulse of Europe“ regelmäßig zusammen. An jedem ersten Sonntag im Monat um 14.00 Uhr treffen sich Politikinteressierte in vielen europäischen Städten. Neben Kundgebungen oder dem offenen Mikrofon, geht es darum, Präsenz für die europäische Idee zu zeigen. Auch in Österreich finden Veranstaltungen statt. Treffpunkte sind der Karlsplatz in Wien sowie die Annasäule in der Maria-Theresien-Straße in Innsbruck. Vorbeischauen lohnt sich. Mehr Infos finden Sie hier: Pulse of Europe.