Zahlreiche Studien zeigen, wem Konsumenten vertrauen und wem nicht. Jüngst der Good Brand Trust Index, der deutlich macht, dass der Handel beispielsweise NGOs im Bezug auf Vertrauen überholt hat. Woran merken Konsumenten denn, wie nachhaltig Unternehmen agieren?
Barbara Coudenhove-Kalergi: Die Grundlage von Vertrauen ist eine persönliche Beziehung über einen längeren Zeitraum, das bedingt auch, dass man sich öffnet, sich verletzbar macht. Vertrauen stellt stets auch ein Risiko dar, missbraucht zu werden. Daher ist für den Konsument Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit, Professionalität und Kompetenz im Umgang mit Fehlern, wichtig. Hilfsmittel wie Gütesiegel greifen da zu kurz, am stärksten wirkt persönliche Erfahrung.
Werner Lampert: Vertrauen hat absolut etwas mit Beziehung zu tun, nichts mit Marketing und PR. Vertrauen kann nur funktionieren, wie Kant sagt, wenn der Erfolg oder die Freiheit eines anderen auch meinen Erfolg und meine Freiheit bedingen.
Vertrauen ist nicht abstrakt, es passiert in einem konkreten Raum: Ich lasse einen Menschen in meinen intimen Raum. Daher ist Vertrauensmissbrauch eines der schlimmsten Dinge und kaum wiedergutzumachen. Ich denke Vertrauen fußt auf einer archaischen Erfahrung.
Coudenhove-Kalergi: Vertrauen ist das Schmiermittel der Wirtschaft. Wenn Vertrauen einmal weg ist, funktioniert keine Kooperation, sprich Beziehung, und in Folge kein Warenaustausch. Banken, Wirtschaft, Politik verlieren immer mehr an Vertrauen. Und auch NGO’s müssen hart dafür arbeiten, die sind nicht automatisch vertrauenswürdiger, nur weil sie eine andere Agenda haben, als Unternehmen.
Lampert: Heutzutage sind wir nicht mehr bereit an Ideologien zu glauben, und NGO’s haben es verabsäumt ihre Ideologien in Werte umzuwandeln. Aber auch Unternehmen haben immer noch das Manko zu glauben, mit Marketing- und PR-Strategien überzeugen zu können. Das hat nichts mit Vertrauen zu tun, Vertrauen ist eine Haltung, die man einlösen muss.
Früher glaubten Unternehmen mit Hochglanzbroschüren der Nachhaltigkeit Genüge zu tun. Mit Faszination blätterte ich diese durch um zum Schluss festzustellen, dass sie keinen Inhalt haben.
Doch diese Zeit ist vorbei! Das Kapital dieses Jahrhunderts ist Vertrauen. Diese ganz großen Unternehmen, die heute Kapital akkumulieren, die werden alle wie tönerne Säulen implodieren. Denn sie haben etwas nie verstanden- das Vertrauen der Menschen zu gewinnen und auch vertrauenswürdig damit umzugehen.
Coudenhove-Kalergi: Ein weiterer wichtiger Faktor ist Glaubwürdigkeit. Wenn man sich im Bereich Nachhaltigkeit engagiert und es nicht schafft Glaubwürdigkeit zu beweisen, dann ist jede Art von Engagement, von Projekt umsonst. Diese zu erreichen ist die große Kunst.
Zuerst muss man sich mit seinen Dilemmata und moralischen Konflikten auseinandersetzen, um eine Wertebasis zu schaffen. An diesem Punkt kommt Ethik ins Spiel.
Lampert: Wenn wir Glaubwürdigkeit auseinandernehmen, dann sagt der Volksmund: Glauben heißt nicht wissen. Ich weiß zu wenig, aber ich bin bereit zu glauben. Du musst dich täglich würdig erweisen.
Glaubwürdigkeit ist die erste Ebene, das ist eine Herkules-Aufgabe, aber sie wird uns nicht erspart bleiben.
Coudenhove-Kalergi: Der deutsche Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann sagt: Es kann niemals unmöglich sein, das ethisch Richtige zu tun, nur schwierig.
Was ist Ethik?
Coudenhove-Kalergi: Ethik verhält sich zur Moral, wie Theorie zur Praxis. Sie ist das Nachdenken über das Handeln, über richtig und falsch. Ich habe das Gefühl, vielen Menschen stellt es die Nackenhaare auf wenn man von Ethik spricht, da sie sie als Moralkeule empfinden – sie hat aber nichts damit zu tun. Wir betreiben täglich Ethik, indem wir uns fragen „Wie soll ich handeln“? Und unsere moralischen Maßstäbe ansetzen. Ethik heisst auch, die Dinge kritisch zu hinterfragen, sie aus allen Perspektiven zu beleuchten. Nichts ist automitsch richtig, weil es immer schon so war.
Lampert: Ethik ist kein Konzept sondern eine persönliche Auseinandersetzung. Man kann nicht von heute auf morgen sagen, jetzt sind wir ein ethisches Unternehmen. Zuerst muss man zu Werten kommen, eine ethische Haltung haben und versuchen sie zu leben. Ich versuche mein privates Leben, jeden Tag ethisch zu leben.
Ethik gehört als Selbstverständlichkeit in eine Firmenkultur. Das bleibt niemandem erspart. Die autoritären Strukturen gehen zu Ende – Partizipation und Solidarität sind die Ingredienzien, wie wir Zukunft gestalten und in Zukunft bestehen können.
Vom Management über die Mitarbeiter bis hin zu den einzelnen Stakeholdern. Wie können ethische Grundsätze richtig vermittelt werden?
Coudenhove-Kalergi: Es braucht eine Vorbildwirkung und Unterstützung von oben. Wenn man keinen Support bekommt, und es nicht die richtigen Strukturen und Prozesse gibt, sich ethisch korrekt zu verhalten, kann es nicht funktionieren. Letztendlich ist genau das die Aufgabe von Managern, das Unternehmen so zu organisieren und zu gestalten.
Wenn wir uns dazu die Landwirtschaft anschauen – was spielt denn da die Ethik für eine Rolle?
Lampert: Das ist ein dunkles Kapitel. Die Geschichte mit dem Bienengift hat transparent gemacht, wie die Haltung der Landwirtschaft ist. Sie lebt ja auf zweierlei Ebenen vom Konsumenten. Einerseits über den Kauf der Produkte und von Steuergeldern über Subventionen. Man müsste glauben, dass die Landwirtschaft eigentlich nur eines im Kopf hat: den Wünschen und Erwartungen dieser Konsumenten zu entsprechen und nachzukommen. Das ist verblüffender Weise aber nicht der Fall. Sie ist wohl die einzige Wirtschaftsform, die so an Konsumenteninteressen vorbei agiert. Menschen lieben sauberes Wasser, schöne Natur, schöne Landschaften. Daher gibt es gar keinen anderen Auftrag an die österreichische Landwirtschaft als sie zu ökologisieren. Wie der Vorfall mit dem Bienengift gezeigt hat, geht es zurzeit leider aber in eine andere Richtung.
Wird ein Wandel auf der Welt passieren?
Coudenhove-Kalergi: Wir stecken schon mitten in einem Wertewandel. Jetzt müssen wir die nötigen Rahmenbedingungen für Nachhaltigkeit pushen. Es muss z. B. für Unternehmen möglich sein, das Richtige zu tun, ohne davon am Markt Nachteile zu haben. Leider braucht es oft Krisen als Auslöser, um auf eine Lücke zu kommen, an der man noch arbeiten muss.
Lampert: Krisen werden definitiv kommen. Die Menschen in Ländern, die ausgebeutet werden und wo auch die Versklavung zunimmt, werden sich irgendwann gegen diese Art der Wirtschaft auflehnen. Irgendwann werden die Menschen ihr Schicksal in die Hand nehmen, und der Konsument muss dann endlich einen gerechten Preis bezahlen.
Welche Macht kann in dieser Diskussion bei den Medien liegen?
Coudenhove-Kalergi: Medien werden ja neben Gesellschaft, Wirtschaft und Politik als die vierte Macht gesehen und spielen eine wesentliche Rolle. Die Informationen sind vorhanden, aber die Frage ist, wie bringen wir sie in die richtigen Kanäle. Man kann durch die sozialen Netzwerke schon wahnsinnig viel erreichen, wie man beim arabischen Frühling gesehen hat. Die Verantwortung der Medien für die Aufklärung der Gesellschaft ist ganz enorm.
Lampert: Wenn man junge Menschen fragt, die lesen kaum mehr Zeitung. Die Medienmacht, wie wir sie kennen, existiert nicht mehr. Informationen verbreiten sich jenseits von politischen Strukturen und aller wirtschaftlicher Machthaber.
Wie leben Sie Ethik- und Wertemanagement in Ihrem Unternehmen und beruflichem Alltag?
Lampert: Ich habe vor 1,5 Jahren entschieden, die autoritäre Struktur meiner Firma aufzulösen und eine teamgeführte Firma zu machen. Und was ist passiert? Die Qualität der Arbeit wurde enorm gesteigert – eine echte Erfolgsgeschichte.
Coudenhove-Kalergi: Auch wir haben uns im Center for Responsible Management Prinzipien gesetzt, wie wir unsere Arbeit ausrichten. Unser Ziel ist es, dass Ethik noch stärker im Management verankert wird. Wir wollen Unternehmen zeigen, wie wichtig Ethik ist und wie Entscheidungen so besser und effizienter werden.
Barbara Coudenhove-Kalergi
15 Jahre Start-Up Erfahrung im Privatsektor und in NGOs; Spezialgebiet globale CSR, Business & Development, Social Entrepreneurship und Stakeholder Management; Expertise in Strategieentwicklung und Projektmanagement; erfahrene Journalistin und Moderatorin. Programm-Manager Business and Development bei ICEP – Institut zur Cooperation bei Entwicklungsprojekten.
Studien in Berlin und Krems: MA Responsible Management (derzeit in Europa führend), MBA Business Ethics and CSR.
Werner Lampert (geboren 1946 in Vorarlberg/Österreich) zählt zu den Wegbereitern im Bereich nachhaltiger Produkte und deren Entwicklung in Europa. Der Biopionier beschäftigt sich seit den 1970er-Jahren intensiv mit biologischem Anbau. Mit Zurück zum Ursprung (Hofer) und Ja! Natürlich entwickelte er zwei der erfolgreichsten Bio-Marken im deutschen Sprachraum.