Mit viel Elan arbeiten Tanja Leibing und Elisabeth Pichler in der Landwirtschaft am Loidholdhof, einer integrativen Hofgemeinschaft im oberösterreichischen Mühlviertel. Insgesamt 65 Menschen mit und ohne Beeinträchtigung arbeiten und wohnen dort gemeinsam. Auch Praktikant*innen, Lehrlinge und Freiwillige tummeln sich am Hof.
Auf dem Sonnenbankerl des Hofs stellen sich die beiden unseren Fragen zur Gegenwart und Zukunft der Landwirtschaft. Die Hühner gackern fröhlich nebenan.
Welche Art der Landwirtschaft wird am Loidholdhof betrieben?
Elisabeth Pichler (EP): Am Loidholdhof wurde von Anfang an Behindertenarbeit und ein Demeter-Betrieb angedacht. Ein Bauernhof, der sich an Bauernhöfen von früher orientiert, wo ganz vieles selbst gemacht und auf Selbstversorgung gesetzt wird.
Tanja Leibing (TL): Wir betreiben Kreislaufwirtschaft nach der biodynamischen Landwirtschaft. Wir kaufen kein Düngemittel zu, kompostieren selber Mist. Wir vermehren unser Saatgut möglichst selbst. Wir haben Milchkühe und die eigene Nachzucht. Der Boden wird mit dem Dünger unserer Tiere „gesundet“. Der Grundgedanke von Demeter ist: Haben wir einen gesunden Boden, haben wir auch gesunde Tiere und Pflanzen und die Menschen haben ein gesundes Umfeld.
Wir produzieren Getreide, auch alte Sorten, Kartoffeln, Tomaten, Paprika uvm. Die Milch nutzen wir für die Herstellung von Milchprodukten. In der Tischlerei und Weberei machen wir Möbel und Teppiche für den Hofladen und den Eigenbedarf. Im Hofladen werden alle Bewohner*innen, Nachbar*innen, Bekannte mit allem versorgt, was man zum täglichen Leben braucht.
Merkt ihr etwas vom Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen auf die Landwirtschaft?
TL: Am Hof nahm die Getreidevermarktung lange stetig zu. Seit Corona stagniert sie. Die Menschen sparen bei Lebensmitteln. Das spüren wir in der Direktvermarktung. Wir erwarten dennoch keine großen Veränderungen. Wir werden eben mehr oder weniger vermarkten.
EP: Außerdem: bringt man gute Impulse in die Welt, kommt immer auch Unterstützung. Zu uns kamen zum Beispiel die Menschen von selber und fragten, ob wir ihre Gründe pachten möchten. Da gibt es einen, der gar nichts für die Pacht verlangt. Sie wollen einfach, dass die Flächen gut und ehrlich bewirtschaftet werden. Das ist schön und wirklich besonders in dieser problematischen Zeit in der Landwirtschaft. Wir geben dafür unser Bestes, gute Lebensmittel mit hoher Qualität zu produzieren.
Wie würdet ihr die gesellschaftlichen Zusatzaufgaben der Landwirtschaft beschreiben, am Beispiel eures Hofs?
TL: Wir können die Region um uns mit Lebensmitteln versorgen und haben die Möglichkeit auch Menschen mitzunehmen. Sie können mitarbeiten, wohnen, in schwierigen Zeiten zu sich selbst „finden“. Gerade haben wir Besuch von ein paar Kindern. Sie gehen in den Stall und aufs Feld mit und können hier einfach Zeit verbringen. Alle sind willkommen. Das ist eine Besonderheit.
Was kann euer Hof und eure Art der Bewirtschaftung in Krisenzeiten leisten, was etwa herkömmliche Betriebe nicht können?
EP: Als konventionelle*r Landwirt*in bist du auf synthetische Düngemittel angewiesen. In Krisenzeiten, wo diese teurer werden, bist du von Konzernen und anderen Ländern abhängig. Du verzweifelst vielleicht, wenn du plötzlich ohne Spritzmittel und synthetischen Dünger ein Getreidefeld bestellen musst.
Bio-Bäuer*innen wissen aber mit der Natur und der Erde zu wirtschaften, sodass sie uns genügend Ertrag bereitstellt. Denn wir haben das (wieder)erlernt. Dazu ist es natürlich auch notwendig, dass wir mit ihr in Beziehung treten wollen und ihr genügend ‚zurückgeben‘. Sofern man Gründe und Wald besitzt, hat man als divers aufgestellter Hof außerdem den Vorteil, dass man sich in Krisenzeiten relativ selbständig versorgen kann, mit eigenem Holz, den eigenen Nahrungsmitteln, und im besten Fall andere Menschen miternähren kann.
Seht ihr Zusammenhänge zwischen der Landwirtschaft und dem, was „in der Welt“ passiert?
EP: In der Landwirtschaft und der ganzen Welt werden dieselben Fragen gestellt: Wie kann ich mehr rausholen, damit ich mehr verdiene und besser bin als der*die Nachbar*in. Auf diese Art kommt man in ein Abarbeiten und Massen produzieren, aber die Substanz fehlt.
Die Welt endet nicht an der eigenen Grundstücksgrenze. Wenn auf den Gründen neben mir ständig Gift gespritzt wird, wirkt sich das auch auf mich und meinen Grund aus.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft der Landwirtschaft und für euren Hof?
TL: Dass genau diese Art der Landwirtschaft gesehen und unterstützt wird. Dass es weiterhin Vertrauen in sie gibt. Dass sie wertgeschätzt und respektiert wird, damit wir in Zukunft gut weitermachen können.
EP: Unerklärlich für mich ist, warum wir der Bio-Landwirtschaft überhaupt einen Namen geben müssen, obwohl diese ja das ‚Natürliche‘ ist. Dass in der konventionellen Landwirtschaft Gift gespritzt wird, ‚normal‘ ist. So oft wird gesagt „oh, die haben wieder einen Biorappel“. Ich kann nicht verstehen, warum die Dinge so dargestellt werden. Ich habe den Eindruck, viele Menschen verlieren die Beziehung zueinander und zu Pflanzen und Tieren.
In der Demeter-Landwirtschaft und Anthroposophie glauben wir, dass ein „In-Beziehung-treten“ mit den Pflanzen, Tieren und Wiesen positive Auswirkungen auf die Natur hat. Wenn ich die Kuh als Wesen betrachte und ich meine Verantwortung für dieses Wesen spüre, sehe ich, wenn ihr was fehlt. Wie bei einem Kind. Wenn ein Mensch nicht ‚gesehen‘ wird, vergeht er. Er wird krank. Wenn die Natur nicht ‚gesehen‘ wird, weil alles industrialisiert ist und ‚abgefertigt‘ wird, dann wird sie ebenfalls krank.
Ich wünsche mir, dass wir die Natur, die Pflanzen und Tiere eben wieder ‚sehen‘, beobachten und riechen.
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