Was Kakaobohnen schon alles erlebt haben, bis sie in unseren Tassen landen, ist sagenhaft. Im Interview sprechen wir mit Konditorin Lara Jaeger über ihre Reise zum Ursprung der Bohne, über indigene Kakao-Zeremonien und das achtsame Naschen.
Du bist auf deiner Reise den Spuren des Kakaos gefolgt. Wie kam es dazu?
Als Konditorin wollte ich schon immer mal ‚vor Ort‘ mit den Rohstoffen arbeiten, die ich beruflich verwende: Kakao, Vanille, Cashews, Kokosnüsse etc. Meine erste Station war deshalb die Kakao-Bar des Ökodorfs Pachamama in Costa Rica. Dort habe ich gelernt, wie man wirklich gesunde Schokolade herstellen kann. Nach einer Zeit durfte ich sogar meine eigene Schokolade kreieren.
Was macht Kakao für dich so besonders?
Ich durfte in Guatemala an einer Kakao-Zeremonie teilnehmen. Die positive Wirkung von zeremoniell hergestelltem Kakao auf Körper, Geist und Seele haben mich erstaunt. Das kann man sich schwer vorstellen, wenn man nur den ‚europäischen‘ Kakao kennt.
Kakao ist eine über 3000 Jahre alte Medizin. Die Wirkung auf meinen Körper war sehr stark. Und hat den Wunsch geweckt, mich einerseits noch mehr mit der Pflanze zu verbinden und andererseits diese Kakao-Zeremonien mit nach Europa zu nehmen.
Mein Beruf, die Konditorei, war Auslöser für diese Reise nach Zentralamerika. Es hat mich auch fasziniert, dass Kakao eine spirituelle Seite hat.
Was war das Ziel deiner Reise zum Ursprung der Kakaobohne?
Ich wollte alles mitnehmen, was irgendwie ging. Den Prozess der Herstellung, die Fermentation etc. Deshalb habe ich in einem sozialen Kakao-Projekt in der Region Lanquín mitgearbeitet. Die Farm Tuqtuqilal wird aktuell von drei Frauen geführt, was in Guatemala etwas Besonderes ist. Ein Teil des Kakaos wird dort angebaut. Vor allem wird aber der Kakao von anderen Bauern zu einem fairen Preis abgenommen und weiterverarbeitet.
Der Prozess ist unglaublich aufwändig. Nach der Ernte werden die Bohnen 7 Tage in Holzboxen fermentiert. Sie müssen jeden Tag umgerührt werden, damit Sauerstoff dazu kommt. Es entsteht ein starker Essiggeruch.
Und dann folgt der anstrengendste Teil der Arbeit: Der Kakao wird 7 Tage in der Sonne getrocknet. Dafür muss er morgens aus Säcken ausgeleert und abends wieder in Säcke eingepackt werden, damit er tagsüber in der Sonne trocken kann und abends durch den Regen nicht nass wird. Dazwischen bewegt man ihn stundenlang mit dem Rechen, damit er nicht überhitzt. Diese schweren Säcke hin und her zu tragen, ist unglaublich schwere Arbeit.
Bei den Arbeitenden war spürbar, dass diese Art der Produktion für sie ein Herzensprojekt ist. Sie wollen, dass ein wirklich gutes Produkt entsteht. Und sie waren alle sehr dankbar für ihren Arbeitsplatz.
Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrungen. Meine Verbindung zu Kakao hat sich dadurch verändert und gestärkt. Vieles hat mich überrascht und erstaunt.
Wie bist du mit Kakao-Zeremonien in Kontakt gekommen?
In ganz Guatemala gibt es nach wie vor Maja-Zeremonien, zum Beispiel für Verstorbene. Kakao wird dafür aber immer weniger verwendet. Auch im Alltag trinken Guatemalteken eher Kaffee.
Mir war es aber wichtig, dem zeremoniellen Einsatz von Kakao nachzugehen. Und durch Zufall bin ich dabei mit Izaias in Kontakt gekommen, einem Kakao-Zeremonienmeister. Er hat angeboten, mich quasi anzulernen. Er hat mir beigebracht, wie man den Maja-Kalender liest, wie man zeremonielles Feuer macht und wie man Kakao-Zeremonien anleitet. Ich bin ihm so dankbar dafür. Diese Erfahrung hat mein Leben wirklich auf den Kopf gestellt.
Welches Kakaopulver verwendest du in deinen Kakao-Zeremonien?
Nein, ich verwende „zeremoniellen Kakao“. Dieser Kakao wird besonders achtsam und mit einer bestimmten Intention hergestellt. Fast alles passiert dabei in Handarbeit. Nur das Mahlen der Bohnen passiert maschinell. Bei der Herstellung von zeremoniellem Kakao dürfen die Menschen weder unfair bezahlt noch sonst wie ausgebeutet werden. Der Kakao, den ich aus Guatemala beziehe, wird zudem plastikfrei verpackt und per Schiff transportiert (lavalove cacao).
Zeremonieller Kakao wird als Block und nicht als Pulver verarbeitet. Die ganze Kakaobutter ist also noch enthalten. Was wichtig für die Wirkung ist, weil Inhaltstoffe wie Zink, Magnesium oder Eiweiß enthalten bleiben.
Die Tatsache, dass guter Kakao zudem nachweislich glücklich macht, hängt u.a. auch mit dem enthaltenen Tryptophan zusammen, das im Körper zu Serotonin umgewandelt wird. Das Theobromin des Kakaos hat zudem eine subtil anregende, ganz zarte psychoaktive Wirkung – vergleichbar mit einem Kuss. Wodurch man sich besonders präsent fühlt.
Die Teilnehmenden von Kakao-Zeremonien melden mir oft zurück, dass die ‚beflügelnde‘ Wirkung des Kakaotrinkens den ganzen Tag anhält. Ich nutze diese Wirkung gerne, um zu schreiben oder Musik zu machen.
Wie läuft eine Kakao-Zeremonie ab?
Die Zeremonie dauert eine bis eineinhalb Stunden. Die Teilnehmenden bringen eine Tasse mit. Ich bereite den Kakao für alle vor und fülle ihn in die Tassen. Dann wird die Zeremonie eröffnet. Man schließt die Augen und verbindet sich mit dem Kakao, der dann langsam getrunken wird.
Für jede Zeremonie wähle ich ein bestimmtes Thema. Traditionell wird dieses Thema aus dem Maja-Kalender gelesen. Ich habe großen Respekt gegenüber dieser Tradition, versuche aber für mich authentisch zu sein. Nachdem ich keine Maja bin, greife ich zusätzlich auch Themen auf, die bei mir präsent bzw. kollektiv präsent sind.
Während der Zeremonie wird Kakao getrunken, meditiert, ich singe aber auch und spiele auf der Ukulele. Im Anschluss werden Erfahrungen geteilt. Bis jetzt habe ich sehr viele positive Rückmeldungen bekommen. Mittlerweile biete ich einmal pro Monat eine Zeremonie an.
Genießt du Kakao seither anders?
Kakao zu trinken, ist für mich jedes Mal etwas Besonderes. Deshalb versuche ich es nicht zu oft zu machen. Ich trinke Kakao, wenn ich mich auf eine Zeremonie vorbereite. Das öffnet die Tür für die Vorbereitung der Zeremonie und der Einstiegsthemen. Ich habe aus zeremoniellem Kakao auch schon Pralinen hergestellt, die ich „Bliss balls“ nenne. Für den sehr bewussten, privaten Gebrauch.
Was wäre dein Appell an alle Naschkatzen dieser Welt?
Mein Verhältnis zu Konsum-Schokolade hat sich verändert. Ich persönlich kaufe keine billige Schokolade und lege Wert auf Fair-Trade Siegel. Es wäre schön, wenn das mehr Menschen machen würden. Und auch nachdenken, was dahintersteckt. Das gilt nicht nur für Schokolade.
Wir sind leider zu weit von den Lebensmitteln weg, um die Wertschöpfungsketten zu verstehen. Mir ist das durch die ‚Reise zum Kakao‘ sehr bewusst geworden.
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