Zeitreise
ins Jahr 2048

Berlin Nikolaiviertel Realutopie 2045 by Render Vision/Reinventing Society, (Creative Common Lizenz CC BY-NC-SA 4.0)

Vielleicht klingt das für manche verlockend: 30 Jahre selbstgewählter Komaschlaf und dann in einer friedlichen, nachhaltigen Welt wieder aufwachen. Diese Erfahrung machen die beiden Hauptfiguren im Buch ‚Utopia 2048‘ von Lino Zeddies.

Er lässt uns mit seinem Buch hautnah erleben – ja fast schon riechen und schmecken – wie sich unsere Gesellschaft nach dem Wandel hin zu einer friedlichen und nachhaltigen Welt anfühlen könnte. Und weckt die hoffnungsvolle Sehnsucht nach Zukunft. Das Spannende daran: nichts davon scheint unmöglich zu sein.

Krisen und Katastrophen soweit das Auge reicht. Leben wir in einer visionslosen Zeit?

Viele Menschen sind sich mittlerweile einig, dass sich etwas ändern muss. Aber es gibt wenige Vorstellungen dazu, wie das konkret aussehen kann. Wir leben in einer sehr visionslosen Zeit.

Es gibt haufenweise Dystopien in Serien, Filmen und Büchern. Aber inspirierende Dokumentationen und Bücher gibt es nur vereinzelt. Und gerade Spielfilme über eine positive Zukunftsvision gibt es, soweit ich weiß, keinen einzigen. Das finde ich geradezu faszinierend.

Was war die Geburtsstunde deines Buches?

Das Bild von der Zukunft, die ich im Buch beschreibe, ist in mir in den letzten 10 Jahren gewachsen. Wie bei einem Puzzle haben sich durch inspirierende Projekte, Erfahrungen und Lösungen immer mehr Teile gefunden, bis ich mir dachte: Wow, jetzt habe ich eine ziemlich ganzheitliche Vision!

Ich habe aber auch gemerkt, dass es eher ungewöhnlich ist, eine solche Gesellschaftsutopie in sich zu tragen. Mir gibt es sehr viel Kraft, wie ein innerer Kompass. Ich dachte, es könnte anderen ähnlich gehen, weswegen ich diese Vision teilen wollte. Zunächst in einem Workshop, der eine Art Rundum-Schlag einer utopischen Gesellschaft aufzeigen sollten.

Nach diesem Workshop hat jemand gefragt, ob ich nicht ein Buch darüber schreiben möchte, was mich ins Nachdenken brachte. Ein halbes Jahr später war das Buch fertig. Was einfach klingt: das Buch zu schreiben war natürlich schon ein Akt. Ich hatte keine Ahnung, wie man einen Roman schreibt und musste das erstmal lernen!

Lino Zeddies

Welche Geschichten aus deinem Buch würdest du selbst gerne einmal erleben?

Real würde ich besonders gerne die Stadtszenen erfahren. Mal durch das utopische Berlin radeln und schauen, wie das aussieht: grün und nachhaltig. Ohne Autos. Umgeben von glücklichen Menschen.

Oder in Singapur auf dem ‚United Nations Tower‘ zu stehen, diesem Turm, der dafür steht, dass die Weltgemeinschaft zusammenhält. Von dort aus über den grünen Stadt-Dschungel zu blicken und das Gefühl zu genießen: „Wir haben Weltfrieden!“.

Viele der ‚kleinen‘ Utopien des Buches habe ich schon erlebt. Das Buch ist also an vielen Stellen eine verkappte Autobiografie. Das sind Lösungen, die es schon gibt. Das habe ich mir nicht ausgedacht, sondern nur hochskaliert.

In welchen Bereichen, ist es dir schwer gefallen die Zukunft scharf zu zeichnen?

Als das Buch fertig war, ging es mit der Pandemie los. Natürlich musste ich das einbauen, ohne zu wissen, was kommen würde. Ich dachte, aus der Zukunft betrachtet, muss das ein großer historischer Moment gewesen sein.

Aber auch der Prozess, wie Wandel passieren wird, war teilweise schwierig zu beschreiben. Es gibt so viele Möglichkeiten. Vieles wird sich erst auf dem Weg zeigen. Das zu beschreiben, war am herausforderndsten.

Braucht es zusätzlich Bilder, um eine Vision wirklich verstehen zu können?

Ursprünglich wollte ich nur ein kraftvolles Cover haben (Berlin im Jahr 2048). Durch die vielen positiven Resonanzen darauf entstand die Idee, noch mehr solcher Bilder zu machen.

Diese visuelle Ebene ist eine kraftvolle Unterstützung. Viele Menschen sind sehr visuell, ich selbst auch. Das macht die Utopie noch greifbarer und realer. Und je realer sie erscheint, umso leichter kann man auch Kräfte in Bewegung setzen, um sie umzusetzen.

Insofern wünsche ich mir noch viel mehr Bilder, Grafiken, Videos und Virtual Realities von Utopien, wo man wirklich erfahren kann: so könnte es wirklich aussehen!

Earth College: by Aerroscape / Lino Zeddies, CREATIVE COMMONS LIZENZ: CC BY-NC-SA BZW. VORSTADT 2020, image by Google Earth

Was kann ein Roman, was ein Sachbuch nicht kann?

Ziel war es, die Utopie mit allen Sinnen erfahrbar zu machen, Begeisterung und Inspiration zu wecken. Wenn man nur den Kopf anspricht und Information vermittelt, ist das schwierig. Das ist ein zentrales Problem unserer Zeit: meistens richtet sich Wissenschaft nur an den Kopf, wodurch wir diese Trennung haben: wir wissen, was wir tun müssten, aber es passiert nichts.

Das Handeln kommt aber aus unseren Gefühlen, aus dem Körper, aus den Sinnen. Wir sind keine Computer, sondern Menschen. Deshalb dachte ich, mit konkreten Beispielen, Erlebnissen und Geschichten mehr ansprechen zu können. Dass wir uns Informationen in Geschichtenform zudem besser merken können, zeigt die psychologische Forschung. Daher finde ich es auch rational sinnvoll, einen Roman mit Geschichten zu schreiben.

Bekommst du viele Rückmeldungen zum Buch?

Das Buch erreicht offensichtlich die hoffnungsvoll Sehnsüchtigen. Vermutlich auch durch den Untertitel: „Für alle, die sich nach einer schöneren Welt sehnen“. Ich bekomme viele Zuschriften von Leuten, die begeistert sind, es gleich 5 Leuten weiter schenken oder in Schulklassen einbringen.

Viele Leser*innen berichten auch von kleinen Veränderungen. Zum Beispiel, dass sie sich jetzt bei Transition Town engagieren, Gemüse im Garten anbauen oder irgendeine Therapieform ausprobieren.

Ganz besonders inspirierend finde ich eine Rückmeldung: eine Frau in Brandenburg hat begonnen, sich in ihrem Ort politisch zu engagieren. Sie hat eine Utopie für diesen Ort erarbeitet, um zu verhindern, dass alles verbaut wird und Bäume gefällt werden. Sie hat ein Team aufgebaut und kandidiert wahrscheinlich demnächst als Bürgermeisterin.

Noch ist die Welt von heute weit entfernt von deiner Utopie. Könnte sich das bald ändern?

Momentan ist das Alte am Ringen mit dem Neuen. Ich kann mir vorstellen, dass die 20er Jahre herausfordernd und krisenreich werden. Von meinem Gefühl werden erst die 30er Jahre, die ich im Buch als „Regenaissance“ beschreibe, das Erblühen der Regeneration werden.

Es könnte noch ein bisschen dauern und dann aber sehr schnell gehen. Zum Beispiel, wenn mehr politische Macht für neue Bewegungen entsteht und sich Positivspiralen entwickeln. Dadurch, dass alles miteinander verbunden ist, werden wir die Veränderung in allen Bereichen gleichermaßen brauchen und sehen.

Hast du weitere Schritte geplant, um deine Utopie real werden zu lassen?

Mittlerweile habe ich noch weitere Utopie-Puzzle-Steine gesammelt, die im Buch keinen Platz mehr hatten z.B. zur Flüchtlingspolitik oder zu globaleren Beziehungen. Ich überlege eventuell einen Folge-Roman zu schreiben, Utopia 2049.

Fix ist aber, dass nächstes Jahr im Herbst ein utopischer Bildband „Zukunftsbilder 2045“ erscheinen wird. Mit kraftvollen, fotorealistischen Visualisierungen und Geschichten davon, wie der gesellschaftliche Wandel erfolgreich war. Wir wollen zeigen, wie das ‚Deutschland der Zukunft‘ aussehen kann. Vereinzelt sollen auch Städte außerhalb Deutschlands vorkommen, z.B. Wien.

Außerdem arbeiten wir gerade an einer Plattform zu utopischen Medien und Methoden. Wir wollen frei verfügbar machen, wie mit Utopischem gearbeitet werden kann. Zusätzlich starten wir nächstes Jahr mit einem Bildungspaket zur Utopie-Arbeit und Visionsentwicklung für Medienschaffende und Kommunen.

Aber auch privat geht es weiter mit der Umsetzung: gemeinsam mit anderen möchte ich ein real-utopisches Wohnprojekt aufbauen und bin auf der Suche nach einer geeigneten Immobilie.

Lino Zeddies
Lino Zeddies

Lino Zeddies ist Buchautor von Utopia 2048 und Mitbegründer des Zentrums für Realutopien “Reinventing Society”. Der studierte Volkswirt hat sich lange und intensiv mit den Themen Plurale Ökonomik, Geldwende, Transformation sowie persönliche Heilung und Entwicklung beschäftigt. Nach Lebensstationen als Coach, Heilpraktiker für Psychotherapie und Organisationsberater, ist sein Wirken auf integrale Gesellschaftsentwicklung ausgerichtet.

 

 

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