Das Los einer Ökologin ist es, viel über die Artenvielfalt zu wissen und die Wunder der Natur zu lieben und zu verehren, viel tiefgreifender als der Durchschnittsmensch. Mit diesem Wissen und dieser innigen Liebe kommt auch ein unsagbarer Schmerz beim Verlust einer jeden Art, ein Schuldgefühl als Mensch am Massenaussterben beteiligt und dafür verantwortlich zu sein.
Dass Lebewesen andere Lebewesen verdrängen, ist Teil der Evolution. Ein Teil der Arten stirbt aus, oder entwickelt sich zu neuen weiter. Auch das Klima hat sich immer wieder verändert, beispielweise als sich die Photosynthese entwickelte und dadurch die Atmosphäre plötzlich mit Sauerstoff angereichert wurde.
Warum sollten wir Menschen uns trotzdem Gedanken um Nachhaltigkeit machen?
Der Mensch ist ein besonderes Tier. Schaffen wir nicht gar Wunderschönes wie die Musik, die Malerei, den Tanz, die Literatur. Wir pflegen Traditionen, haben Kunst und Kultur. Die Schöpfungen des Menschen sind wertvoll, sie sind die Quelle für Lebensfreude und Glück. Ich denke, das sind genug Gründe, um das Überleben des Menschen sichern zu wollen.
Doch nun kommt der Wermutstropfen, wenn wir weitermachen, wie bisher, ist das Leben in Europa, wo Frieden, kaum Armut und Hunger herrschen, in Gefahr.
Zum aller ersten Mal nimmt eine einzige Art einen derart großen Einfluss auf den Lauf des Lebens und das Klima. Der Mensch hat mehrere planetare Grenzen überschritten, was inakzeptable Erdveränderungen zur Folge hat und zu unvorhersehbaren neuen Lebensbedingungen führen wird. Eine davon ist die Intaktheit der Biosphäre. Bei der Klimaerwärmung ist die Grenze bald erreicht, eine 2°C Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit könnte einen Kippschalter umlegen und die Klimakrise geriete außer Kontrolle. Je mehr Eis abschmilzt, desto schneller erwärmt sich die Erde, da die Eisflächen zuvor Wärmestrahlung zurück ins All reflektiert haben. Wärmere Ozeane binden weniger CO2 und geben es wieder an die Atmosphäre ab. Auftauende Permafrostböden stoßen vermehrt Methan aus. Die Auswirkungen werden entsetzliche sind. Wir haben uns in eine Klimakrise hineinmanövriert, die das seit 10.000 Jahren stabile Klima beenden könnte.
Diese Stabilität ermöglichte die Entwicklung des modernen Menschen überhaupt, doch unser Erfolg könnte jetzt den Untergang unserer Zivilisation bedeuten.
Um die Erwärmung auf 2°C zu begrenzen, müssen wir bis 2050 weltweit klimaneutral sein. Der neue IPCC Report fordert überhaupt eine Begrenzung auf 1,5°C, was die katastrophalen Folgen des Klimawandels um die Hälfte dezimieren würde. Diesen Wert werden wir 2030 bis 2040 erreichen. Das heißt, die Entscheidungen der nächsten Jahre, werden die Art des Lebens für uns, unsere Kinder und Kindeskinder bestimmen.
Es geht um die menschliche Zivilisation
Wir müssen begreifen: Es geht schon lange nicht mehr nur darum, dass wir beim nächsten Spaziergang etwas weniger Schmetterlinge sehen, oder, dass es im Sommer etwas öfter über 30°C hat – es geht um die Art unseres Zusammenleben. Derzeit leben wir in den Industriestaaten zivilisiert, wir schlagen uns nicht die Schädel ein, wir verhalten uns halbwegs human, kümmern uns um Kranke, Hungernde…
Doch laut IPBES Report gefährdet der Biodiversitätsverlust viele Milliarden Menschen durch den Verlust der Ökosystemleistungen wie Bestäuber, Luftreinigung, Klimaregulation. Es geht somit darum, ob unsere Kinder in einer friedlichen EU leben werden oder in Krieg um Ressourcen.
Ja sicher, der Mensch wird überleben, und die Natur wird sich irgendwann wieder erholen, es wird sich ein Gleichgewicht einstellen, aber wäre es nicht Schade den Weg dazu über Kriege, Tod und Verlust zu gehen?
Der Mensch hat das Wissen, Können und die Fähigkeiten es anders zu machen. Wir können die Klimakrise abwenden und das Artensterben reduzieren! Niemand ist zu klein einen Unterschied zu machen, sagt auch Klimaaktivistin Greta Thunberg.
„Hoffnung hat man nicht. Hoffnung erschafft man mit seinen Taten. Hoffnung ist etwas, was man in der Welt verkünden muss. Wenn eine Person Hoffnung hat, kann diese ansteckend sein. Dann beginnen auch andere Menschen hoffnungsvoll zu handeln“, sagt US Abgeordnete Alexandria Ocasia-Cortez.
Nehmen auch Sie Ihr Schicksal in die Hand und setzen Sie erste hoffnungsvolle Schritte.
Warum? Weil es der Mensch und seine Schöpfungen wert sind.
Über die Autorin
Dr. Isabell Riedl ist seit 2012 als Nachhaltigkeitsbeauftragte und in der Kommunikation der Werner Lampert GmbH tätig. Sie studierte Ökologie mit Schwerpunkt Natur- und Landschaftsschutz und Tropenökologie an der Universität Wien. Ihre Dissertation verfasste sie über die Bedeutung von Baumreihen in landwirtschaftlichen Gebieten für Waldvögel in Costa Rica. Zeit ihres Lebens hat sie sich insbesondere der ökologischen Nachhaltigkeit verschrieben. Sie ist Teil des Redaktionsteams des Online-Magazins „Nachhaltigkeit. Neu denken.“
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Sehr geehrte Frau Riedl,
mit Ihren Ausführungen bin ich mit Ihnen völlig einer Meinung. Nur in einem Punkt nicht: „Weil es der Mensch und seine Schöpfungen wert sind“
Meiner Meinung nach ist es der Mensch nicht Wert weiterhin auf dieser Erde zu existieren. Die Schöpfung ist so wunderschön und vielfältig. Der Mensch hat davor keinerlei Respekt. Die Menschen sind fasziniert von Ihren technischen Errungenschaften, erkennen aber nicht das in einer Fliege mehr steckt als der Mensch jemals erfunden hat. Wir haben auf dieser Erde nichts zu suchen, haben auch keinen Nutzen. Wenn unsere Spezies ausstirbt wäre das nur eine und viele andere würden dadurch gerettet. Aber keine Sorge, wir bekommen das selbst hin und in 100000 Jahren hat sich die Erde viel Artenreicher und schöner wieder erholt.