Katharina Rogenhofer ist das Gesicht der jungen, österreichischen Klimabewegung. Im Interview reden wir mit ihr darüber, was ihr Buch verändert hat, wie man visionslose Entscheidungsträger*innen aus der Reserve lockt und welche Glücksmomente das Leben als Klimaaktivist*in bereithält.
Dein Buch trägt den Titel „Ändert sich nichts, ändert sich alles„. Warum fällt es uns so schwer, uns auf Veränderungen für die Klimawende einzulassen?
K. Rogenhofer: Ich glaube, die meisten Menschen wollen etwas ändern. Ich werde so oft gefragt: „Was kann ich jetzt tun? Wie kann ich ein Teil der Lösung werden?“ Die wenigsten lehnen sich einfach zurück und sagen: „Mir ist die Zukunft egal“. Aber es fällt uns schwer, die Vorstellung zu vermitteln, wie die Welt nach der Klimawende aussehen könnte. Es könnte ein extrem selbstermächtigendes Werkzeug sein, solche Vorstellung mit anderen zu teilen.
Mich persönlich motiviert es extrem, mir auszumalen, dass es schön und gut sein könnte und dass wir eine sauberere, lebenswertere, gemeinschaftlich lebende, faire Zukunft haben können. Eine Zukunft, in der ich überzeugter sagen kann: „Ich will Kinder in diese Welt setzen.“ Das trägt mich durch den Aktivismus.
Aktuelle Diskussionen über Verzicht und Zurück in die Steinzeit fallen vermutlich auch deshalb auf fruchtbaren Boden, weil man sich die Zukunft noch nicht vorstellen kann. Wenn ich mir die Zukunft nicht vorstellen kann, habe ich viel Angst durch Veränderungen zu verlieren, was ich habe. Wenn ich aber weiß, wie diese Zukunft aussehen kann, führen Veränderungen vielleicht nicht mehr zu Verzicht, sondern Gewinn.
Wie kam es, dass nicht nur Klima-Informatives, sondern auch deine sehr persönliche Geschichte Platz fanden?
K. Rogenhofer: Ich wollte kein abstraktes Buch schreiben. Es war eine bewusste Entscheidung, das Persönliche, was in unserem Leben vorgeht, nicht auszusparen. Durch die persönliche Geschichte wollen wir auch Menschen ansprechen, die normal nicht zu Sachbüchern greifen.
Welche Rückmeldungen zum Buch haben dich erreicht?
K. Rogenhofer: Es hat mich überrascht, wie groß das Echo war. Die Rezensionen waren so positiv. Viele Leute haben rückgemeldet, dass sie das Klima-Thema zum ersten Mal verstanden hätten. Auch einige öffentlich bekannte Menschen haben das Buch empfohlen. Es ist offensichtlich an einigen zentralen Stellen gelandet. Einige Journalist*innen haben rückgemeldet, dass sie das Buch – quasi als Einstieg ins Klimathema – gelesen haben, weil es einen guten Überblick gibt.
Angenommen du müsstest heute einen Reiseführer für Wien im Jahr 2030 schreiben. Fügen sich die Puzzlesteine dafür schon in deinem Kopf zusammen?
K. Rogenhofer: Teilweise. Ich versuche mir manchmal vorzustellen, wie es ist, in Zukunft durch meine Wohnungstür auf die Straße zu gehen. Vielleicht ist es ja gar keine Straße mehr? Es ist auf jeden Fall viel leiser. Und die Luft ist sauber. Vielleicht spielen sogar Kinder dort, wo eine Straße war. Wahrscheinlich gehen Menschen spazieren, Fahrräder fahren vorbei. Vielleicht ist da ein Markt. Man sieht auf den Dächern Photovoltaik-Anlagen auf wohltemperierten, gut gedämmten Häusern.
Alles ist begrünt, die Fassaden, die Straßen, die Dächer. Es gibt viele Bäume und es fliegen Schmetterlinge und Insekten herum. Der öffentliche Raum ist von einer Betonwüste zum Lebensraum geworden. Es passiert dort jetzt viel mehr. Womöglich haben wir sogar die heute unterirdisch verlaufenden Flüsse wieder zurück an die Oberfläche geholt und nutzen sie für die Naherholung.
Wenn wir alles richtig gemacht haben, hoffe ich, dass es auch eine friedlichere Welt ist, in der Nachrichten über Krieg und Menschen, die flüchten müssen, abnehmen. Weil es möglich ist, friedlich Dinge auszuverhandeln, ohne Ressourcenkämpfe zu führen.
Für einen echten Reise-Führer müsste ich noch viel mehr Imagination investieren. Ich würde aber gerne drüber nachdenken. Vor allem mit Menschen, die sich öfter mit solchen Themen beschäftigen, z.B. Künstler*innen.
Stelle dir eine Gruppe von visionslosen Entscheidungsträger*innen vor. Wie würdest du sie aus der Reserve locken?
K. Rogenhofer: Im ersten Schritt würde ich versuchen diese Menschen aus ihren Rollen zu locken. Diskussionen sind oft so verfahren, wenn man mit seiner Funktion am Tisch sitzt. Dann ist es nur ein Schlagabtausch der schon bekannten Standpunkte.
Ich würde versuchen – von Mensch zu Mensch – über das zu sprechen, was ihnen wichtig ist, welche Werte und Zukunftswünsche sie für ihre Kinder und Enkelkinder haben. Und aus diesem Persönlichen eine Vision entwickeln, eine Zukunft, die man sich für die nächste Generation wünscht. Gemeinsam die Eckpunkte dieser Welt erkunden.
Um Kindern in Zukunft sagen zu können: Euch wird es einmal viel besser gehen als mir. Ihr werdet alle Möglichkeiten haben, euch entscheiden zu können.
Welchen Eindruck haben die letzten Klimaverhandlungen (COP26) bei dir hinterlassen?
K. Rogenhofer: Ich hatte realistische Vorstellungen davon, was rauskommen würde, nämlich wenig. Auf globaler Ebene sind wir noch nicht weit genug für Ambition. Nach drei starken Jahren der Klimabewegung war das trotzdem enttäuschend. Für mich heißt es jetzt: nicht lockerlassen und in den einzelnen Ländern weiter Druck machen. Wenn dort mutig gehandelt wird, können andere Länder mitgerissen werden.
Dieser Fokus erhöht auch den Handlungsspielraum des Einzelnen: ich habe weniger das Gefühl die globale Klimapolitik verändern zu können. Die österreichische Klimapolitik aber schon.
Physikalisch ist es noch möglich die Klimawende herbeizuführen. Zum Glück müssen wir nicht mit der Physik verhandeln, sondern mit der Politik. Und Menschen können sich ändern, ihre Entscheidungen ändern oder abgewählt werden.
Angenommen du hättest ein Glücksmomente-Glas für die besten Momente deiner Klimaschützerinnen-Laufbahn. Welche Momente wären darin?
K. Rogenhofer: Ich glaube die Glücksmomente, die ich gehabt habe, waren immer die Momente, in denen man das Gefühl hat: wir bewegen jetzt etwas. Der erste dieser Momente war sicher der erste weltweite Klimastreik am 15.3.2019, wo wir überhaupt nicht wussten, wie viele Menschen kommen würden. Wir hatten Angst, dass es niemanden interessiert. Es war ein so erleichternder Moment, die Massen auf den Heldenplatz strömen zu sehen. Plötzlich war da ein Köpfemeer. Das gibt wirklich Kraft, wenn man merkt, wir sind nicht alleine. Da sind so viele Leute, die jetzt gerade aufstehen und aktiv werden.
Ein anderer Moment war, dass das Klimavolkbegehren im Parlament einen Antrag durchgebracht hat. Zum ersten Mal hat eine Mehrheit der Abgeordneten – zwar nicht allen – aber einigen unserer Forderungen zugestimmt.
Private Glücksmomente entstehen, wenn ich mich damit verbinde, wofür wir eigentlich kämpfen. Ich bin sehr gerne in der Natur und liebe es Blätter rascheln zu hören, im Gras zu liegen, wandern zu gehen, den Ausblick vom Berg zu genießen und Tiere zu beobachten. Kurzum, zu staunen, was alles auf unserer Erde lebt. Das sind Glücksmomente, die mich stärken und denken lassen: „Wow, dafür will ich weiter machen!“
Welche Glücksmomente könnten in Zukunft winken?
K. Rogenhofer: Wir leben 2022. Wir wissen über die Klimakrise Bescheid. Aber wir haben gerade kein national gültiges Klimaschutzgesetz (Anmerkung: Österreich), das uns den Weg zu der vielversprochenen Klimaneutralität 2040 vorgibt. Und es gibt noch immer klimaschädigende Subventionen. Um das zu ändern, müssen wir weiterkämpfen.
Und das setzt dann wieder Möglichkeiten der Imagination frei: weil wir wissen, das ist der Weg, das ist unser Ziel, das sind einzelne Maßnahmen. Vielleicht müssen wir noch das eine oder andere gesellschaftlich ausdiskutieren. Aber genau das gibt den Raum, Zukunftsbilder für alle Bereiche der Gesellschaft zu entwickeln, die uns in die Klimaneutralität 2040 führen.
Weißt du schon, womit du dich beschäftigst, wenn die Klimawende endlich geschafft sein wird?
K. Rogenhofer: Ich habe es mir definitiv nicht gewünscht, mich mit der Klimakrise beschäftigen zu müssen. Ich habe ja Zoologie studiert. Vermutlich würde ich dann Natur- und Artenschutzprojekte umsetzen. Zum Beispiel in Renaturierungsprojekten Flüsse aufstemmen und ihnen wieder Raum zurück geben. Auf jeden Fall wäre es eine Arbeit draußen, mit wenig Bildschirmzeit.