Landwirtschaft muss
gentechnikfrei bleiben

Gruppe von Menschen beim Non GMO-Summit

Fotorechte: Nina Werth

Die EU ist eines der letzten Bollwerke, das gentechnisch veränderte Organismen streng reguliert. Aktuell wird der Druck von außen immer größer, denn die Neue Gentechnik sei vermeintlich und unbedingt nötig, um unsere Ernährung sicherzustellen. Das Non-GMO Summit 2024 lieferte jedoch unzählige Gründe, warum auch Neue Gentechnik unbedingt streng reguliert bleiben muss.

Im Juli 2023 schlägt die EU- Kommission eine weitgehende Deregulierung von Organismen, die mittels Neuer Gentechnik (NGT) erzeugt wurden, vor. Somit würden sie keiner Umweltrisikobewertung und keinem Monitoring mehr unterliegen.

Dies würde für gentechnisch veränderte Pflanzen der Kategorie NGT1 gelten.

Was wären veränderte Organismen gemäß NGT1?

  • Herstellung: Organismen, die mit neuen Gentechniken wie der Genschere CRISPR/Cas oder TALEN erzeugt wurden.
  • Modifikationen: Maximal 20 Modifikationen pro Organismus.
    • Einfügen/Austauschen: Bis zu 20 Basenpaare dürfen eingefügt oder ausgetauscht werden.
    • Löschen: Basenpaare können ohne Begrenzung gelöscht werden.
    • Cisgenesis: Nur arteigene Gene dürfen verwendet werden, z. B. das Einbringen eines Gens aus einer alten Apfelsorte in eine domestizierte Apfelsorte.
    • Inversion: Chromosomale Abschnitte können in jeder Größe um 180° gedreht werden, wodurch sich die Reihenfolge der Gene verändert.

In der Theorie würde das bedeuten, dass an einem einzigen Organismus Basenpaare jeglichen Ausmaßes gelöscht werden, 15-Mal 20 Basenpaare eingefügt, 4-Mal chromosomale Abschnitte invertiert und ein Gen aus einem arteigenen Organismus hinzugefügt werden könnten.

Die Argumentation der NGT-Befürwortenden lautet, dass das alles Veränderungen sind, die bei konventioneller Züchtung oder natürlicher Mutation auch auftreten könnten, die NGT beschleunige die Ereignisse bloß und mache sie gezielter und somit sogar sicherer.

NGT kann genauso gefährlich sein, wie „alte“ Gentechnik

Das deutsche Bundesamt für Naturschutz (BfN) warnt in einer 2024 veröffentlichen Studie jedoch vor sogenannten NGT1-RNAi Pflanzenanwendungen mit insektizider Wirkung, wovon sogar schon welche patentiert wurden. Die Neue Gentechnik kann pflanzeneigene microRNA gentechnisch so verändern, dass durch RNAi essenzielle Proteine in Insekten ausschalten und bei ihnen zum Tode führen. Für die Entdeckung der microRNA erhielten die US-amerikanischen Biologen Victor Ambros und Gary Ruvkun übrigens im Jahr 2024 den Nobelpreis für Medizin.Das BfN hat mehrere NGT-Pflanzen, die in Entwicklung sind, analysiert. Dabei stießen sie auf eine NGT1-Pflanze, die einen molekularen Mechanismus der RNAi nutzt, um nicht bräunende Kartoffeln zu erzeugen. Sie identifizierten auch einen NGT1-Mais, wo 20 Basenpaare eines microRNA-Gens verändert werden, sodass der Verzehr durch RNAi für den Maiszünsler tödlich wird, indem seine Chitinase ausgeschaltet wird. Diese Wirkweise ist vergleichbar mit veränderten Pflanzen der „alten“ Gentechnik, wie den Bt-Pflanzen.

Das sind eindeutig Wirkweisen, die einer Risikobewertung unterzogen werden müssen, denn sie könnten nicht nur gegen den Schadorganismus wirken, sondern auch gegen geschützte Tiere.

Werden NGT1-Pflanzen dereguliert, wie es die EU vorschlägt, wäre das aber nicht mehr notwendig, das ist grob fahrlässig! Dr. Samson Simon vom BfN betont daher, dass die Möglichkeit eines natürlichen Auftretens der Modifikation kein Freibrief für gentechnisch veränderte Pflanzen sein darf.

Nachweis von NGT

Die Mehrheit der Konsumierenden fordern Gentechnik-freie Lebensmittel. Alexander Hissting, Geschäftsführer vom Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) formuliert es treffend: „Der GVO-Markt hat nur Erfolg, wenn er sich vor den Endverbraucher*innen versteckt.“ Eine Stimme aus dem Publikum meint sogar, dass deshalb die Gentechnik so verzweifelt versucht, als „Nicht Gentechnik“ durchzugehen.

Um dem Wunsch der Verbraucher*innen nachzukommen, GVO-freie Lebensmittel zu konsumieren, braucht es auch Analysemethoden, die Neue Gentechnik detektieren. Ein EU-gestütztes Forschungsprojekt namens DARWIN testet unterschiedliche Möglichkeiten. Quintessenz ist, dass das zwar möglich ist, aber zum jetzigen Zeitpunkt sehr kosten- und zeitintensiv. Es drängt sich die Frage auf, wer das bezahlen wird, sollte die EU deregulieren?

Warum Mehrwert aufgeben?

Die EU ist noch eine Insel der Seligen, gentechnisch veränderte Pflanzen werden nur in Spanien und Portugal angebaut, die Erntemenge ist außerdem vernachlässigbar. Beim Summit waren viele Vertreter des Non GMO Projects der USA und ihre Hinweise stimmen nachdenklich. Hans Eisenbeis bezeichnete die EU als letztes Bollwerk gegen GVOs und ermahnte uns mit Nachdruck dieses nicht aufzugeben. In den USA gibt es kein Zurück mehr und sie müssen mit den Auswirkungen leben. So haben sie Schwierigkeiten biologischen und nachhaltigen Landbau voranzutreiben, weil es derartig große GVO-Anbaugebiete gibt. Neue Gentechnik ist eine reelle Gefahr für nachhaltige biologische Landwirtschaft.

Versprechen, die nicht gehalten werden

Wie bei der alten Gentechnik versprechen uns Biotechnologieunternehmen, dass die Neue Gentechnik sicher ist, dass sie den Hunger auf der Welt beenden wird. Und doch werden die Versprechen jetzt schon gebrochen. Dies untermauern auch die Erkenntnisse des BfN. NGT-Pflanzen, die derzeit in Entwicklung sind, zielen vor allem auf Lifestyle- (nicht braun werdende Kartoffel) oder industriebezogene Eigenschaften (veränderte Stärkeeigenschaften) ab. Die Forschung an Stressresistenz beispielsweise gegenüber Trockenheit, was eventuell wirklich den Hunger vermindern könnte, macht nur einen sehr kleinen Anteil aus.

Die neue Gentechnik darf nicht dereguliert werden! Daher unterzeichnete LAMPERT auch den Offenen Brief an den EU-Agrarministerrat für mehr Transparenz und eine verpflichtende Kennzeichnung von Gentechnik. Die EU muss weiterhin GVO-frei bleiben, eine wirklich nachhaltige Landwirtschaft hängt davon ab.

Hintergrundinfos

Der „International Non-GMO Summit“ wurde von den wichtigsten Wirtschaftsverbänden des „Ohne Gentechnik“-Marktes veranstaltet: Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG), ARGE Gentechnik-frei, Donau Soja, European Non-GMO Industry Association (ENGA) und ProTerra Foundation.

Der Kongress wurde von den Hauptsponsoren Caramuru, Foodchain ID, Köster Marine Proteins und Bunge unterstützt.  

GVO – gentechnisch veränderte Organismen

GMO – genetically modified organisms

NGT – Neue Gentechnik

microRNA sind kurze Ribonukleinsäuren, die eine wichtige Rolle im komplexen Netz der Genregulation spielen, insbesondere bei der Gen-Abschaltung

RNAi – Die RNA-Interferenz ist ein natürlicher Mechanismus in den Zellen von Lebewesen mit einem Zellkern (Eukaryoten), welcher der zielgerichteten Abschaltung von Genen dient

Bt-Pflanzen: Pflanzen, in die durch „alte“ Gentechnik ein Gen eines Bodenbakteriums integriert wurde, wodurch sie selbst Insektizide produzieren

Autorin: Dr. Isabell Riedl

Dr. Isabell Riedl ist seit 2012 in der Werner Lampert GmbH und leitet dort die Nachhaltigkeitsabteilung. Sie studierte Ökologie mit Schwerpunkt Natur- und Landschaftsschutz und Tropenökologie an der Universität Wien. Ihre Dissertation verfasste sie über die Bedeutung von Baumreihen in landwirtschaftlichen Gebieten für Waldvögel in Costa Rica. Zeit ihres Lebens hat sie sich insbesondere der ökologischen Nachhaltigkeit verschrieben. Sie ist Teil des Redaktionsteams des Online-Magazins „Nachhaltigkeit. Neu denken.“

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