Die digitale Zukunft ist ergebnisoffen

digitales Mädchen mit Computercodes im Hintergrund
Gerd Altmann, https://pixabay.com/de/m%C3%A4dchen-zukunft-digital-2181709/

Uber, Google, Smart Homes: Die Digitalisierung zieht sich als Mega-Trend durch alle gesellschaftlichen Bereiche. Doch was sie für die Umwelt bedeutet, fragen sich die Wenigsten. Steffen Lange, Co-Autor des Buchs „Smarte grüne Welt“, verrät, wie sich die Digitalisierung nachhaltig gestalten lässt und welchen Beitrag die Zivilgesellschaft dazu leisten kann.

Herr Lange, Ihr Buch „Smarte grüne Welt – Digitalisierung zwischen Überwachung, Konsum und Nachhaltigkeit“ dreht sich um eine spannende Frage: Steuern wir dank der Digitalisierung auf eine smarte grüne Welt zu – oder auf einen Turbokapitalismus?

Beides ist möglich: Die Digitalisierung kann für eine nachhaltige Gesellschaft genutzt werden. Doch so wie sie heute stattfindet, fördert sie einen digitalen Neo-Feudalismus. Das heißt, der Konsum steigt, ökologische Probleme werden nicht gelöst und soziale Probleme werden verstärkt. Ein Beispiel ist das Smartphone: Durch seine Produktion werden wertvolle Ressourcen und Energie verbraucht. Smartphones führen zu mehr Effizienz, was Kosten und Zeit spart. Und das wiederum erhöht den Konsum – das zeigen zahlreiche Studien. Die Digitalisierung ist derzeit aus ökologischer Sicht also höchstens ein Nullsummenspiel.


Cover eines Buches in grün und mit WLAN ZeichenBuchtipp: Smarte grüne Welt

Was bringt die Digitalisierung für Ökologie und soziale Gerechtigkeit? Steuern wir auf eine smarte grüne Welt oder einen machtzentrierten Kapitalismus zu? Steffen Lange und Tilman Santarius analysieren, wie sich Energie- und Ressourcenverbrauch, Arbeitsplätze und Einkommensverteilung in der digitalen Welt entwickeln – und liefern Prinzipien für eine nachhaltigere Digitalisierung.

Lässt sich die Digitalisierung denn auch ökologisch zukunftsfähig gestalten? Was muss der Staat tun, damit sie die Welt tatsächlich grüner und sozialer macht?

Einerseits brauchen wir dringend eine digital-ökologische Steuerreform. Weltweit machen Informations- und Kommunikationstechnologien bereits ca. sieben Prozent des Energieverbrauchs aus, Tendenz steigend. Es wird oft vergessen, wie viele Ressourcen hinter digitalen Leistungen stecken. Eine CO2-Steuer würde zum Beispiel bestimmte digitale Dienste teurer machen und dadurch die Nachfrage senken. Außerdem müssen auf politischer Ebene bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden – etwa durch die Einführung einer kürzeren Vollzeit, um dem Verlust von Arbeitsplätzen entgegenzuwirken. Auch die Ausweitung des Monopolrechts sowie ein öffentliches Konkurrenzangebot zu den privaten Plattformen sind wichtig, um die Macht von Internetriesen wie Facebook oder Google einzuschränken.

Tauschplattformen oder Foodsharing-Apps zeigen, dass digitale Tools auch Zusammenarbeit fördern. Ist es möglich, dass die Digitalisierung zu einer Wertschätzungs- statt einer Wegwerfgesellschaft führt?

Das Potenzial ist da und Sharing-Plattformen für Restaurants, Wohnungen oder Autos zeigen bereits die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten. Besonders große Chancen sehe ich im Verkehrsbereich: Hier sind intermodale Verkehrsangebote durch die Digitalisierung viel besser koordinierbar. Wichtig ist allerdings, dass diese den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel fördern. Werden nur noch Taxi- oder Carsharing-Dienste genutzt, geht der ökologische Nutzen verloren. Auch in der Energiewende kann die Digitalisierung eine gewichtige Rolle spielen, um Stromnachfrage an die Schwankungen im Angebot der erneuerbaren Energien anzupassen. Leider werden digitale Tools derzeit allerdings oft für Dinge verwendet, die mehr Strom verbrauchen als nötig – wie automatische Jalousien im Smart Home. Das führt zu Rebound-Effekten.

Was sind denn solche Rebound-Effekte?

Ein typisches Beispiel dafür ist die Glühbirne: Energiesparlampen benötigen etwa sechs Watt, um die Helligkeit einer herkömmlichen 60-Watt-Glühbirne zu erzeugen. Dadurch spart man nicht nur Energie, sondern auch Kosten. Doch was machen wir mit dem gesparten Geld? Wir lassen das Licht länger an, kaufen mehr Lampen oder fliegen – ganz überspitzt – nach Mallorca. Das führt dazu, dass die ursprünglich gesparte Energie wieder verbraucht wird. In diesem Fall spricht man von Rebound-Effekten.

Um Rebound-Effekte zu schwächen und die Gefahren für die Umwelt abzufedern, plädieren Sie für eine „sanfte Digitalisierung“. Wie kann diese in der Praxis aussehen? Welchen Beitrag können wir als Verbraucher dazu leisten?

Digitalisierung ergibt nicht immer und überall Sinn, deshalb gilt: erst nachdenken, dann digitalisieren. In unserem Buch plädieren wir für eine sanfte Digitalisierung auf abstrakter Ebene. Verschiedene gesellschaftliche und politische Akteure machen sich Gedanken, wo und wie Digitalisierung wirklich sinnvoll ist. Dementsprechend wird sie in Folge langsamer und anders eingeführt. Die Nutzer selbst haben auf dieser Ebene nur begrenzten Einfluss. Trotzdem kann Jeder den digitalen Raum nachhaltiger nutzen. Zum Beispiel durch grüne Alternativen zu herkömmlichen Anbietern – wie Avocado-Store statt Amazon, Ecosia statt Google oder Ubuntu statt Windows.

Glauben Sie an den Erfolg einer grünen und zukunftsfähigen Digitalisierung? Wo müssen wir uns verbessern?

Die Zukunft ist ergebnisoffen. Derzeit führt die Verbindung zwischen Digitalisierung und ökonomischen Interessen jedoch eher in Richtung eines digitalen Neo-Feudalismus. Daher bin ich skeptisch. Wenn der Staat versagt, müssen die zivilgesellschaftlichen Akteure – also NGOs, Kirchen, Gewerkschaften – den richtigen Weg einschlagen. Dann ist eine nachhaltigere Zukunft durchaus möglich. Die Zivilgesellschaft muss Druck auf den Rechtsstaat ausüben, damit dieser die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung ändert. Potenzial ist also da, aber es gibt noch viel zu tun.


Portrait eines Jungen Mannes mit 3Tages Bart und kurzen dunklen Haaren, der in die Kamera lächeltÜber Steffen Lange

Der Volkswirt Dr. Steffen Lange (geboren 1985 in Münster/Deutschland) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin. Hier befasst er sich unter anderem mit Digitalisierung und sozial-ökologischer Transformation sowie Ressourcenschonung im Kontext von Postwachstumskonzepten. Zudem engagiert sich Lange ehrenamtlich in verschiedenen Netzwerken.

Quelle: Dieser Text ist die gekürzte Fassung eines Interviews mit Steffen Lange am 27. Februar 2018.
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