Vor gar nicht allzu langer Zeit konnte man noch zuverlässig die Unterhaltung in gemütlicher Runde abrupt abwürgen, indem man das Tischgespräch auf das Thema Klimawandel lenkte. Es folgten verlegene Blicke auf Boden und Zimmerpflanzen, begleitet von nervösem Gehüstel oder Scharren auf der Tischdecke. Rasch fühlte man sich als Spielverderber, Moralapostel oder Prediger des Untergangs oder – noch schlimmer – des Verzichts.
In politischen Debatten konnte man dasselbe Muster beobachten: sobald das Thema Klimaschutz auf das Tableau gebracht wurde, reihenweise fade Gesichter im Nationalrat, flapsiges Kleinreden des Problems, Angst vor Veränderung etc.
Wie kann das sein? Wo doch KlimawissenschaftlerInnen schon seit Jahrzehnten unruhig auf ihren Sesseln wetzen. Wo ein riesiger Berg an Fakten vor uns liegt und ganz klar zeigt, dass auch auf unserer gefühlten ‚Insel der Seligkeit‘ kein Stein auf dem anderen bleiben wird, wenn wir nicht in die Gänge kommen. Und was tun wir mit diesem Faktenberg?
Schubladisieren. Oder anderwärtig ignorieren. Und das gar nicht einmal böswillig. Was es bräuchte sind Geschichten, die einschlagen wie eine Bombe. Die alle 8,8 Millionen ÖsterreicherInnen bis in die hintersten Winkel unserer Täler mit den Ohren schlackern lassen. Die einem das Gefühl geben an einem hohen Feiertag im Stephansdom, während des Läutens neben der Pummerin zu stehen. Es müssten Geschichten sein, die keinen verbrannten Boden in uns hinterlassen, sondern Augen und Herzen öffnen. Geschichten die uns laut „Jaaaa!“ und „Bin dabei!“ schreien lassen, wenn es darum geht gemeinsam wirklich neue Wege einzuschlagen. Doch wie könnten diese Geschichten aussehen, wer schreibt sie und wer erzählt sie?
Diese Geschichten sind aus einem Stoff gemacht, den nur viele geschickte Hände gemeinsam weben können. Die Stützfäden des Stoffs – die harten Fakten – kommen aus der Wissenschaft. Was den Teppich letztendlich aber erst zu einem Teppich macht, sind die schönen, weichen, bunten Fäden, die dieses Faktengerüst zum Leben erwecken. Das sind Geschichten, die uns zeigen, was diese Fakten mit uns persönlich zu tun haben und was wir ganz konkret ändern können.
Natürlich muss man selbst keine kunstvollen Teppiche weben können, um mit anderen Menschen gute Gespräche über den Klimawandel zu führen. Vielleicht lohnt es sich aber kurz hinter die Kulissen der Profis zu blicken: jener Menschen, die sich seit Jahren professionell damit beschäftigen, wie Klimakommunikation funktioniert.
Vorhang auf.
Wachrütteln ja, aber wen?
Diese Frage klingt womöglich einfältig. Beruht aber auf der Erkenntnis, dass in Sachen Klimaschutz manche Menschen noch komatös im Tiefschlaf liegen, wohingegen andere womöglich nur noch leicht dämmern und wesentlich leichter wach zu rütteln sind[1]. Es mag natürlich verlockend wirken, die wirklich harten Brocken zu knacken (z.B. Klimaleugner). Nicht selten ist hier aber mit Fakten, und seien sie noch so schlüssig argumentiert, nichts zu erreichen. Lohnender mag es bei Menschen sein, die eine Ahnung davon haben, was dieser ganze Klima-Wahnsinn für unser aller Zukunft bedeuten kann.
Und davon gibt es in Österreich viele. Viele Menschen befinden sich in einer Art Zwischenzustand. Wissenschaftler beschreiben diesen Zustand mit der sog. Lücke zwischen Bewusstsein und Handeln („awareness-action gap“)[2]. Dem (Nicht-)Handeln wider besseres Wissen. Aber Informationen alleine reichen eben nicht aus, um Menschen zum Handeln zu bewegen.
Denn wir wissen, was wir (nicht) tun
Es ist eine Tatsache, dass den meisten Menschen in Österreich dämmert, was man tun könnte. Fragen Sie eine beliebige Schulklasse in Österreich, egal ob im Burgendland oder in Vorarlberg, was es für effektiven Klimaschutz in Österreich bräuchte. Die Lösungen liegen zuverlässig in 10 Minuten auf dem Tisch: umsteigen auf erneuerbare Energie, Öffi fahren, wo es geht, weniger fliegen, gesund Essen mit weniger Fleischanteil, überlegen, was man wirklich braucht, keinen Schnickschnack kaufen.
Wir wissen also, dass da etwas auf uns zukommt.
Warum fällt uns das Zuschauen so leicht und das Anpacken so schwer?
Die meisten von uns haben also eine vage Vorstellung, womit man schon einmal anfangen könnte. Aber eben nur könnte. Was hält uns davon ab? Abgehalten werden wir von den AGBs des Klima-Stadschauens (Deutsch: ‚bewegungslos zusehen‘):
A – Alternativen sind zu kompliziert,
G – Gewohnheiten zu ändern ist mühsam
B – Bequemlichkeit geht vor
s – Selbstzweifel bremsen uns aus
Nach neusten Erkenntnissen der Klimakommunikations-Forschung müsste allerdings vor allem der letzte Punkt großgeschrieben werden. Am effektivsten bremsen wir uns tatsächlich selbst aus, indem wir daran zweifeln, selbst etwas bewirken zu können.
Wie werden wir unseren Minderwertigkeitskomplex los?
Wir Österreicher leiden kollektiv an einem Minderwertigkeitskomplex in Sachen Klimaschutz. Einerseits zweifeln wir an unserem persönlichen Beitrag: „Was kann ich alleine denn schon ändern?“. Andererseits reden wir uns, ob unserer überschaubaren Landesgröße, oft feige aus der Sache heraus: „Was kann ein kleines Land wie Österreich schon bewirken, wenn die Großen nicht mitziehen, US, China?“ Egal ob so oder so: Fakt ist, wir blockieren dadurch unsere eigene Wirksamkeit.
Das Herzstück von guten Gesprächen über den Klimawandel ist das Thema Wirksamkeit, dem Gegenüber zu beweisen, dass jeder Einzelne wirksam sein kann. Menschen, die ihre Selbstzweifel überwunden haben und einfach etwas anders gemacht haben, befinden sich mittlerweile in guter Gesellschaft.
Woran anknüpfen?
Nehmen wir an, Sie gehen auf ein großes Gebäude zu. Wonach suchen Sie, nach dem Haupteingang oder einem versteckten, schummrig beleuchteten Hintereingang? Jede Person, die Sie von der Bedeutung des Klimaschutzes überzeugen wollen, hat so etwas wie einen Haupteingang. Ein Thema für das diese Person besonders brennt. Vielleicht ist es der Finanzmarkt, Mode, Autos. Vielleicht lebt die Person für Sport, Musik oder gutes Essen. Egal welches Thema, der Klimawandel macht vor keinem Thema halt. Jedes Thema eignet sich, um über den Klimawandel ins Gespräch zu kommen. Wählen Sie diesen Haupteingang, holen Sie die Person bei ihrem Kerninteresse ab und zeigen Sie auf, wie dieses Thema mit dem Klimawandel in Verbindung steht. Alternativ bieten oft auch aktuelle Anlässe gute Anknüpfungspunkte für Klimagespräche.
Und sollten sich trotzdem einmal Gruppen gegenüberstehen, die mit dem Thema Klimawandel so gar nichts anzufangen wissen, dann kann es auch helfen das Wort gar nicht in den Mund zu nehmen. Und das Gespräch auf andere Themen herunter zu brechen, die leichter greifbar sind (Erfahrungen mit Hitzewellen, Anbindung des eigenen Wohnorts an den öffentlichen Verkehr, Versorgung mit erneuerbarer Energie), um nicht von vorneherein Ablehnung hervorzurufen.
Wer ist Ihr Held?
Nutzen Sie die Palette an inspirierenden Vorbildern und KlimaheldInnen des Alltags, um anderen Menschen Mut zu machen. Und versuchen Sie passende Geschichten auszuwählen.
Welche Werte vertritt die Person oder Gruppe, mit der sie ins Gespräch kommen wollen: Weltoffenheit? Umweltschutz? Soziale Werte? Tradition? Einem konservativen Menschen von der Fridays for Future Bewegung vorzuschwärmen, kann nach hinten losgehen. Andere steigen begeistert in die Diskussion mit ein, wenn der Name Greta Thunberg fällt. Suchen sie auf jeden Fall nach Vorbildern, mit denen sich Ihr Gesprächspartner identifizieren kann.
Und das müssen nicht immer die großen Namen sein. Erzählen sie ruhig auch von Klima-Heldentaten in ihrem Umfeld: von einem Nachbarn, dem der Klimagroschen gefallen ist, worauf hin er sein Haus gründlich saniert und sich von der Ölheizung verabschiedet hat.
Motivieren ohne Schönfärberei
Angst-Appelle und Katastrophenmeldungen alleine sind kein probates Mittel, um die Menschen für den Klimaschutz zu motivieren. Denn: die Dosis macht das Gift. Gezielt eingesetzt können sie helfen, den gewünschten Effekt zu erzielen. Um jedoch besonders Personen zu erreichen, die bislang taube Ohren hatten, braucht es zweierlei: einerseits den Weckruf z.B. durch Informationen zu den drohenden Folgen. Aber: Wer von Ihnen lässt den Wecker freiwillig während des gesamten Frühstücks weiterklingeln?
Im Fall der Klimakommunikation spricht man daher von „positivem Framing“. Nicht nur Angstmache, sondern die Chancen mit ins Visier nehmen. Wo es etwas zu verlieren gibt, gibt es auch etwas zu gewinnen. Und genau darüber sollte noch viel mehr gesprochen werden.
Welche Karotten sehen wir vor uns baumeln, wenn wir uns aufs Fahrrad oder in die Öffis schwingen? Fitness? Weniger Kinder mit Asthma? Billiger ist es womöglich auch? Oder mehr Zeit zum Lesen? Viele Klimaschutzmaßnahmen senken nicht nur die CO2-Emissionen, sondern haben auch einen weiteren positiven Nebeneffekt. Viel zu wenig wird auch über, die für uns so selbstverständlichen, ganz hohen Güter geredet, die effektiver Klimaschutz zu bewahren hilft: eine friedliche und sichere Zukunft.
Vermeiden Sie es also Menschen, die Sie für den Klimaschutz gewinnen wollen, ausschließlich mit „Grausligkeiten“ der Klimakrise zu torpedieren, sondern bringen Sie auch diese Karotten mit ins Spiel.
Gemeinsam ist man weniger allein
Die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass sich Menschen besonders dann ermächtigt fühlen Dinge anders zu machen, wenn sie sehen und spüren, dass sie diesen Weg nicht alleine gehen. Wenn ein Freund, Geschwister, oder andere Personen des Vertrauens sie auf dem Weg begleiten und unterstützen.
Eine Empfehlung lautet daher auf diesen Domino-Effekt in sozialen Gruppen zu setzen und bewusst zu nutzen. Nicht immer nur ein Individuum anzusprechen, sondern soziale Gruppen zu aktivieren (Freundeskreise, Familie, Vereine etc.). Die Tatsache, dass Klimaschutz so in diesen Gruppen kein Außenseiterverhalten, sondern das neue „normale“ Verhalten (die neue soziale Norm) wird, bietet einen großen Hebel.
Und das nicht nur weil wir uns in der Gruppe mehr zutrauen und es uns wichtig ist, was andere von uns denken, sondern auch weil es einfach mehr Spaß macht. Klimaschutz ist eine kollektive Hausaufgabe und am besten packen wir sie auch gemeinsam an.
Über die Autorin
Dr. Sybille Chiari ist Teil des Redaktionsteams von „Nachhaltigkeit. Neu denken“ und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Themen Nachhaltigkeits- und Klimakommunikation – forschend und schreibend. Sie ist Teil der Bewegung Scientists for Future und Obfrau des Vereins Bele Co-Housing (Gemeinschaftswohnprojekt mit biologischer, regenerativer Landwirtschaft www.belehof.at).
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