Löscht die Landwirtschaft den Menschen aus?

Bärtiger Mann an einem Steintisch vor wuchernden grünen Pflanzen
Werner Lampert

Paris träumte von 1,5°C Erderhitzung, 2°C wären bewältigbar meint man noch. Der Report amerikanischer Behörden ging von 2°C aus und die Folgen zu lesen, schafft heftige Depressionen. Aber um es ehrlich zu sagen… die Realität sind 3°, 4°C…

Niemand kennt die tatsächlichen, zu erwartenden Folgen.

Wir gehen einem völlig anderen Leben, Lebensformen entgegen, wir werden ganz andere politische Verhältnisse haben, andere soziale Bedingungen, andere Produktionsformen.

Wie bleiben wir handlungsfähig, angesichts der zu erwartenden Katastrophe? Wie bleiben wir fähig zu antworten, auf all die Herausforderungen, die auf uns zukommen?

Am Ende der Zeit, wenn es vollbracht sein wird, die Ressourcen aufgebraucht, die Umwelt vermüllt, die fruchtbaren Böden degradiert, die Vielfalt der Fauna, der Flora ausgelöscht, das Wasser der Seen, der Flüsse, der Quellen vergiftet, wenn Mensch und Tier, Pflanzen und Böden Opfer der Erderhitzung geworden sind, unterbrochen von heftigen Stürmen, wenn Orkane über Land ziehen, unglaubliche Regenmassen vom Himmel prasseln, wenn nichts mehr sein wird, wie wir es kennen, wenn Meere unaufhörlich ansteigen werden, wenn sich Menschen in ihrer Verzweiflung gegeneinander richten werden, wenn wir dort angelangt sein werden, dass nur noch ein Gott uns retten könnte, wie ein Philosoph einmal meinte, dann wird sie aufsteigen am Horizont die Morgenröte der Hoffnung, zwar ohne jegliches Vogelgezwitscher, doch alles wird wieder gut.

Wir, der überragende Mensch, die Krone der Schöpfung, wir, mit unserer überragenden Intelligenz, wir, mit unserer fassungslosen Kreativität, wir haben es wieder einmal geschafft. Wir werden alles zugerichtet haben bis zur Unkenntlichkeit, die Verödung werden wir bis zum letzten Fleck auf dieser Erde vorangetrieben haben, aber wir werden noch handlungsfähig sein.

Roboter werden die unkenntlichen Felder bestellen, Drohnen werden bestäuben, was zu bestäuben ist, mit CRISPR cas 9 werden die Nutzpflanzen so zugerichtet, designed werden, dass sie noch auf der Öde Ertrag bringen werden und mit Hilfe der Chlorophyllfluoreszenz wird der digitale Maschinist im Schlafe erkennen, wo Hilfe im Felde nötig sein wird. Nichts mehr wird mit dem Maße des Menschen beurteilbar sein.

Die Herolde der Digitalisierung in der Landwirtschaft arbeiten schon längst an Lösungen des Undenkbaren. Unser Lebensstil ist doch einfach nur großartig! Warum sollten wir etwas ändern?

Die Technik, die Digitalisierung, die künstliche Intelligenz, die neue Gentechnik, alles zusammen und ein ordentliches Quantum an Rücksichtslosigkeit werden unsere Zukunft sein, wir werden es für die nachfolgenden Generationen schon richten.

Die industrielle Landwirtschaft und die Zerstörung

Jeder von Ihnen kennt die Publikationen über den Insektentod, die Vernichtung der Vögel, das atemberaubende Maß der Ausradierung von Pflanzen, auch Kulturpflanzen, die Verödung der für die übergroßen Maschinen zugerichteten Felder, das Ausmaß der Bodenverdichtung in der Landwirtschaft, die Zerstörung der Mikroorganismen in den Böden, die Landdegradierung und dadurch der Verlust an gesunden Böden. Die konventionelle Landwirtschaft stößt überall an die Grenzen der Natur.

Laut dem Weltbiodiversitätsrat (IPBES) hat die Landdegradierung und der Verlust an gesunden Böden ein kritisches Level überschritten und so ist die Existenzgrundlage von 3,2 Milliarden Menschen gefährdet. Regenfälle schwemmen jährlich in der EU um die 970 Millionen Tonnen lockeren Boden ab. Gerade Slowenien, Italien und Österreich sind sehr stark von der Bodenerosion betroffen. 1/3 der Ackerböden sind bei uns intensiv verdichtet.

Die Erderhitzung, die die Landwirtschaft völlig unvorbereitet trifft, könnte in Österreich, besonders im Marchfeld bis zu 50 % Ertragseinbußen bringen.

2/3 der Ackerflächen werden für die Futterproduktion von Nutztieren benötigt. West- und Mitteleuropa braucht für das Viehfutter außerhalb Europas eine zusätzliche Fläche von der Größe Deutschlands.

Was die Pestizide und der Industriedünger in unseren Böden, im Bodenleben, im Grundwasser, im Oberflächenwasser anrichtet, wissen Sie ja alle ganz sicherlich.

Nichtdestotrotz wird diese Art der Landwirtschaft massiv subventioniert. Aber diese Zahlungen sind nur eine Augenauswischerei, in Wirklichkeit ist es die Industrie hinter dieser Landwirtschaft, die gegen jede Vernunft gefördert wird.

Die Forschungsanstrengungen sind in der konventionellen Landwirtschaft gewaltig. Unglaubliche Geldmittel sind im Einsatz, die naturgemäß kapitalisiert werden müssen. Mit dem Erlös vom Lebensmittelverkauf können diese Investitionen nie und nimmer ausgeglichen werden. Der Topf der öffentlichen Mittel, also unsere Steuerleistungen, werden das ausgleichen müssen. Die öffentliche Hand positioniert sich da eindeutig. Kostenwahrheit wird unter allen Umständen vermieden.

Die biologische Landwirtschaft

Der Weg der biologischen nachhaltigen Landwirtschaft ist da weniger spektakulär. Aber die Ergebnisse sind einfach überzeugend. Es ist ein Weg der Wälder, auch Regenwälder, Meere, Feuchtgebiete, Ökosysteme, Lebewesen, Böden, Flüsse und die Luft schont, ein Weg, auf dem sorgsam mit den Ressourcen umgegangen wird. Ein Weg auf dem die Menschen Bescheid wissen über die tiefe Verflochtenheit, die gegenseitige Abhängigkeit.

Und sind wir mit offenen Augen und der nötigen Neugier in der Natur, können wir genauso wie die Bauern, das komplexe System Natur, mit ihrer nicht-linearen Dynamik erleben.

Darauf versucht die biologische, nachhaltige Landwirtschaft Antworten zu finden und mit dieser Herausforderung zu arbeiten. Bei uns ist, bei Gott, nicht alles vollendet, noch lange nicht alles perfekt. Vor allem in der Nachhaltigkeit haben wir noch viel zu lernen.

In der Saatgutproduktion sind wir weit, sehr weit zurück.

Humusaufbau zur Bindung von CO2 und für fruchtbare Böden

Die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, der Humus-Aufbau, ist eine gewaltige Herausforderung für uns alle. Neue Methoden im Anbau werden wir finden müssen, wie der gänzliche Verzicht auf Pflügen – Grubern-, Agroforstsysteme, bei dem Baumreihen mit Ackerfrüchten kombiniert werden oder Milpa.

In meiner Jugend machte ich mit dieser Methode gute Erfahrungen, die Mayas betrieben dieses System, in dem etwa Mais, Bohnen + Kürbisse gemeinsam gepflanzt werden. Vielleicht sind Pharmakulturen ein Weg um in der Erderhitzung zu bestehen. Um die Bodenerosionen bewältigen zu können, wäre die Konturlandwirtschaft ein probates Mittel bei 2-10% Gefälle oder der Streifenanbau bei langen und steilen Hängen.

In der biologischen, nachhaltigen Landwirtschaft stehen die Biodiversität, das Habitatmanagement, die Bodenfruchtbarkeit, der Aufbau des Humus verstärkt im Zentrum des Tuns.

Wie können wir in der Zukunft bestehen?

Selbstverständlich werden wir mit unserer Art der Landwirtschaft lernen müssen sowohl die Quantität, als auch die Qualität zu steigern und das nicht gegen, sondern im Einklang der Ökosysteme. Unsere Intelligenz, Kreativität, Phantasie und unser Mut, hilft uns nicht weiter, wenn die Mäßigung nicht zu unserem Leitsystem wird.

Jedes dritte Lebensmittel landet im Müll, die Ernteverluste sind immer noch zu hoch, der Umgang unserer Gesellschaft mit Lebensmitteln ist insgesamt zu hinterfragen.

Nehmen wir wahr, wie die Nutztiere gehalten und gefüttert werden, wissen wir auch ohne moralischen Appell, – so kann es nicht weiter gehen. Bei der Ausbringung von Dünger und Gülle wird Ammoniak frei und in der Atmosphäre reagieren diese Gase mit Schwefeldioxid und Stickoxide zu Salzen wie Ammoniumsulfat und Ammoniumnitrat, die zur Bildung von Feinstaub beitragen. 45% der Feinstaubbelastung kommen so, laut Max Plank Institut, zustande.

Es benötigt nicht nur einen totalen Wandel in der Landwirtschaft, genauso erfordert es eine Änderung unseres Fleischkonsums. Die wahren Kosten des konventionellen Fleisches liegen bei plus 196%. In unserem System werden die Kosten verdunkelt und der Allgemeinheit ungefragt umgebunden. Wie schon die 60 Milliarden Euro, die der BSE-Skandal kostete.

Öffentliche Förderungen müssen zu 100% in Dienstleistungen für die Bevölkerung fließen. Wie sauberes Wasser, Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, schonender und bewusster Umgang mit den Ressourcen. Keine indirekten Zahlungen mehr an die Agroindustrie.

Die Ausbeutung unserer Umwelt, der Tiere, des Menschen muss ein Ende haben. Den Respekt, den die Bauern ganz zu Recht für sich einfordern, müssen sie weitergeben und im Umgang mit der Natur einlösen.

Die Erde und der Mensch, welch ein Gespann!

Es gibt für uns keine andere Welt als diese und für unsere Nachkommen auch nicht. Wir kommen aus der Erde und leben von der Erde, und sind mit ihr brüderlich, schwesterlich verbunden. Sie eröffnet uns unendliche Möglichkeiten und eine davon ist unsere Verantwortung für die Welt der Erde!

Nehmen wir sie wahr!

Lasst uns den Kampf gegen die Erde beenden!


Über Werner Lampert

Portrait eines bärtigen Mannes mit lockigem ergrauten Haar und HornbrilleWerner Lampert (geboren 1946 in Vorarlberg/Österreich) zählt zu den Wegbereitern im Bereich nachhaltiger Produkte und deren Entwicklung in Europa. Der Biopionier beschäftigt sich seit den 1970er-Jahren intensiv mit biologischem Anbau. Mit Zurück zum Ursprung (Hofer) und Ja! Natürlich entwickelte er zwei der erfolgreichsten Bio-Marken im deutschen Sprachraum.

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