Die überparteiliche Initiative „Oberösterreich blüht auf“ wurde von Oberösterreichs Umweltlandesrat Rudi Anschober im Frühling 2019 gestartet. Fachexperten haben ein Maßnahmenpaket erarbeitet, das mit der Petition „Rettet die Bienen – für den Schutz von Böden und Artenvielfalt“ unter www.ooebluehtauf.at unterstützt werden kann. Bereits 16.000 Unterzeichner und viele prominente Stimmen, so auch Nachhaltigkeitsexperte Werner Lampert, setzen sich dafür ein. 36 oberösterreichische Gemeinden mit 150.000 Einwohnern haben die entsprechende Resolution beschlossen. Ziel ist, die notwendigen Zukunftslösungen sichtbar zu machen und für ihre Durchsetzung breite gesellschaftliche Allianzen zu bilden.
Herr Anschober, Sie sind Initiator der Petition für den Schutz von Böden und Artenvielfalt in Österreich. Was war Ihre persönliche Motivation sich für Biodiversität einzusetzen? Gab es ein spezielles Erlebnis?
Dazu haben letztlich sicher die Zahlen der Wissenschaft beigetragen, die dramatischer nicht sein können. Allen voran die Krefelder-Studie, die große Beachtung gefunden hat und einen Rückgang von Insektenbiomasse in Deutschland um über 80 Prozent in den letzten 30 Jahren aufzeigt – in Naturschutzgebieten! Seit 1980 verschwand mehr als jeder zweite Feldvogel in Europa, bis zu 80 Prozent unserer Wiesenschmetterlinge sind akut gefährdet. Welche verarmte Welt würden wir den nächste Generationen zurücklassen, da muss man handeln.
Wo spüren Sie den Verlust der Artenvielfalt am stärksten?
Ich möchte das umkehren, wo spürt man die Artenvielfalt am stärksten und wie selten das geworden ist? Eine Blumenwiese auf der es summt und brummt, ein bunter blühender Saum am Straßenrand – die alltägliche Schönheit von Vielfalt in unserer Umwelt ist selten geworden.
Aktuelle Studien lassen vermuten, dass besonders Insektenpopulationen in den letzten Jahrzehnten abgenommen haben. Woran, glauben Sie, liegt das?
Es gibt ein ganzes Mosaik an Ursachen für das Sterben von Bienen, Wildbienen, Schmetterlingen und vielen anderen Insekten – und in der Folge der Vögel. Ein wesentlicher Faktor, neben der Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung und dem Einsatz von Pestiziden, dem Bodenverbrauch und der Lichtverschmutzung, ist die Verarmung der Landschaften und Gärten. Und es wird immer deutlicher, das Verschwinden von Biene und generell der Insekten gefährdet das gesamte Ökosystem und unsere Lebensgrundlage, wir befinden uns in einer Abwärtsspirale, die wir durchbrechen müssen.
Bei der Bodenversiegelung ist Österreich in der EU immer noch Spitzenreiter. Täglich werden 12 Hektar verbaut. Welche sinnvollen Maßnahmen könnte die Politik setzen um den Flächenverlust drastisch zu reduzieren?
Der Bodenverbrauch zählt europaweit zu den größten umweltpolitischen Herausforderungen. Wenn wir so weitermachen, zerstören wir unsere Lebensgrundlagen. Bodenfunktionen und öffentliche Flächen für Bodenschutz müssen Eingang in die Gesetzgebung finden, Industriebrachen und Leerstände genutzt werden und gesamthaft braucht es ein strategisches Flächenmanagement mit konkreten Zielwerten. Fest steht, um das Insektensterben aufzuhalten, müssen wir den Bodenverlust stoppen.
Beim Climate Kirtag in Wien, sagte Arnold Schwarzenegger, dass die Menschen nicht auf die Politik warten dürfen. Sie motivieren mit Ihren Projekten auch jeden einzelnen zum Handeln. Wo können wir alle den Hebel ansetzen?
Jede und jeder kann einen Beitrag zum Umweltschutz und für den Erhalt der Artenvielfalt leisten, durch pestizidfreies Garteln, einer Blumenwiese im Garten, durch nachhaltigen Konsum und den Kauf von Bio-Produkten und schließlich durch das Bewusstsein, dass die Zerstörung der Artenvielfalt auch dem Menschen Schaden zufügt. Oft sind es ganz einfach Schritte, Wissen ist die Voraussetzung dafür.
Der Einfluss von Hausgärten und Balkonen wird oft unterschätzt, welche Tipps haben Sie für Besitzer von Freiflächen?
Ein insektenfreundlicher Garten lässt sich oft mit einfachen Maßnahmen in kurzer Zeit umsetzen. Etwa mit einem Wildstaudenbeet, einer Totholzecke oder einfach einem „wilden Eck“ mit Brennnesseln, Giersch und Disteln im Garten, kann jeder Lebensraum für Insekten und Vögel schaffen. Ein kleiner Streifen Wildblumen ist schon ein guter Anfang. Davon haben auch wir Menschen etwas: Die kleinen Nützlinge helfen uns bei der Bekämpfung von unerwünschten Insekten und halten unsere Pflanzen im Garten gesund. Auch ein kleiner Stadtbalkon lässt sich in ein blühendes, naturnahes Gärtchen verwandeln, das gerne von Insekten besucht wird. Eine Nisthilfe oder ein Topf mit blühenden Kräutern lässt sich auf kleinstem Raum realisieren.
Was ist Ihr persönliches Ziel für die nächsten Jahre in Bezug auf Biodiversität?
Mit „Oberösterreich blüht auf“ möchte ich zeigen, worauf wir verzichten, welche Änderungen wir durch einen fahrlässigen Umgang mit unseren Böden, Natur und Flächen in Kauf nehmen. Wir müssen endlich beginnen, gemeinsam und auf breiter Ebene für unsere Umwelt und Artenvielfalt einzutreten. In den Schulen werden bienenfreundliche Schulgärten thematisiert, bienenfreundliche Gemeinden werden in Oberösterreich immer mehr, oder denken wir an die dutzenden Gemeinschaftsgärten, die pestizidfrei garteln und an unsere Bio-Landwirte, die ohne Umweltgifte ihre Felder bestellen – es gibt so viele wunderbare Vorreiter, diese gilt es vor den Vorhang zu holen.
Sind Sie optimistisch? Wird die Menschheit das sechste Massenaussterben verhindern?
Nur durch große Anstrengungen wird es gelingen, diese globale Katastrophe abzuwenden, aber ja, ich bin optimistisch. Der Zuspruch zur Petition ist beachtlich und es gibt viel konstruktives Feedback aus der Bevölkerung, der Wissenschaft und aus Gemeinden. Der gemeinsame Tenor: Endlich wird etwas getan, und: jetzt muss endlich gehandelt werden! Das stimmt mich sehr positiv.
Über Rudi Anschober
Rudi Anschober (geboren 1960) ist oberösterreichischer Grünen-Politiker, seit 2003 Landesrat für Integration, Umwelt, Klima-und KonsumentInnenschutz in der Oö. Landesregierung. Als ausgebildeter Volksschullehrer war er einige Jahre tätig, ebenso als Journalist bei diversen Medien, bevor er über sein großes Engagement gegen den Bau des AKW Temelin schließlich in die Politik kam.