Die grüne Revolution verminderte den Hunger auf dieser Welt, aber leider auch gleichzeitig die Biodiversität. Über sogenanntes „Genome editing“ sollen nun neue Pflanzen gezüchtet werden, die weniger Pestizide oder Dünger brauchen. Die Landwirtschaft soll zum Schöpfer werden statt Zerstörer.
Die industrialisierte Landwirtschaft ist einer jener Faktoren, der die Biodiversität auf der Erde maßgeblich beeinträchtigt. In den letzten hundert Jahren, wurden durch die sogenannte grüne Revolution zwar Produktivitätssteigerungen erzielt, dies geschah jedoch nicht ohne Nebenwirkungen. Der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln, die fortschreitende Technisierung und der damit einhergehende Anbau von Monokulturen oder die Regenwaldabholzung und die dadurch stattfindende Landnutzungsänderung, sind drei wesentliche Faktoren, die sich negativ auf die Biodiversität auswirken.
Die Vertreter der industrialisierten Landwirtschaft erhoffen sich nun, durch technologischen Fortschritt, die negativen Auswirkungen der landwirtschaftlichen Praxis ins Positive zu kehren. Mittels neuer gentechnischer Verfahren (genome editing) wie z.B. CRISPR/Cas9 sollen Sorten gezüchtet werden, die weniger Pflanzenschutzmittel benötigen und effizienter in der Wasser-und Nährstoffnutzung sind (Bayer, 2018). Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Es stellt sich die Frage, inwiefern Genome editing einerseits die Vielfalt der Kultursorten und anderseits die Biodiversität im Allgemeinen erhalten bzw. gefördert werden kann?
30 Pflanzen ernähren Welt
Beginnen wir mit der Diversität der Kulturarten und -sorten. Global gesehen gibt es über 350 000 Pflanzenarten, wovon über 50 000 essbar sind und ca. 7 000 gesammelt und angebaut werden. Nur 30 Arten davon stellen 95% der global konsumierten Lebensmittel dar, alleine 60% entfallen auf Reis, Weizen und Mais. (ProSpecie Rara 2015) Diese Verarmung an Kulturarten und auch -sorten wird auch Generosion genannt und ist ein Resultat der industrialisierten Landwirtschaft. Durch Technisierung und Effizienzsteigerung wurden alle jene Kulturarten “aussortiert”, die nicht in das gängige Schema der Mechanisierung passen. Es ist zu bezweifeln, dass durch neue Züchtungsmethoden eine Rückbesinnung stattfinden wird. Denn auch neue Sorten werden nur entwickelt werden, wenn sich diese durch die Saatgutfirmen entsprechend vermarkten lassen bzw. ein entsprechender Markt zur Verfügung steht.
Die meisten Kulturarten und -sorten sind das Ergebnis der bäuerlichen Tätigkeit und ihre Entstehung ist einer anderen Logik unterworfen. Sie entspringt der Logik der Anpassung und des Tausches von Nachbarn und/oder Gruppen. Im Gegensatz zu den klassischen Hochleistungssorten, welche standardisiert und rentabel (patentiert) sein müssen. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte, ist daher nicht zu erwarten, dass die Vielfalt der Kulturarten und -sorten mittels neuer Gentechnik verbessert werden kann.
Gentechnik schafft Biodiversität?
Aber wie kann das Verhältnis Gentechnik und Biodiversität im Allgemeinen beurteilt werden? Können gentechnisch veränderte Sorten etwas Positives zur Biodiversität beitragen?
Geht es nach den Befürwortern der neuen Gentechnik, sind diese Fragen mit Ja zu beantworten. In einer Broschüre eines internationalen Unternehmens der Agrarindustrie wird behauptet, dass durch den Einsatz von gentechnisch veränderten Sorten bis zu 37% weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden müssten, bei bis zu 22% höherem Ertrag versteht sich. Hingegen zeigte eine Studie des Bundesamtes für Naturschutz, dass bei Herbizid-toleranten Pflanzen über einen Zeitraum von 20 Jahren der Pflanzenschutzmitteleinsatz sogar gestiegen ist und auf den Ackerflächen eine deutliche Abnahme der Biodiversität stattgefunden hat (Schütte et. al., 2014). Dies ist vor allem auf Resistenzen zurückzuführen, die sich bei den Bei- und Unkräutern im Laufe der Zeit gebildet haben. Hierzu mag vielleicht noch keine abschließende Beurteilung möglich sein, doch es ginge ohnehin auch gänzlich ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel, wie die Bio-Landwirtschaft schon seit langem sehr erfolgreich zeigt.
Ein weiterer wichtiger Faktor der die Biodiversität in Agrarökosystemen beeinflusst, ist die Schlaggröße. Durch den Strukturwandel werden nicht nur die Betriebe, sondern auch die Ackerflächen größer. Dies mag zeitliche Vorteile bei der Bearbeitung schaffen, die Biodiversität fördert es nicht. Eine Studie aus 2008 kam zum Schluss, dass die optimale Schlaggröße bei 1-2 ha liegt, darüber hinaus, nimmt die Maschineneffizienz nur noch marginal zu.
Die neue Gentechnik bedient aber genau jenes System der industrialisierten Landwirtschaft, das Mechanisierung und Effizienzsteigerung als oberstes Credo lebt. Und deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass durch die neue Gentechnik ein positiver Beitrag für die Biodiversität zu erwarten ist. Nur zur Veranschaulichung, eine Auswertung von Satellitendaten für den Sub-Andenraum (Brasilien & Argentinien) kam zum Schluss, dass mittlerweile 48% aller Feldstücke in dieser Gegend größer als 50ha sind .
Eines ist sicher, die Biodiversität steht unter großem Druck. Forscher sprechen gar schon vom sechsten großen Massensterben und die Landwirtschaft ist dafür mitverantwortlich. Technologischer Fortschritt alleine wird dies nicht aufhalten können.
Vielmehr braucht es ein systemisches Umdenken, wie es die biologische Landwirtschaft vorzeigt, auch wenn sie mit großen Herausforderungen zu kämpfen hat (Abhängigkeit von großen Saatgutkonzernen und Konventionalisierungstendenzen wie größere Schläge – hin zur Mechanisierung). Und es müssen die externalen Kosten der Lebensmittelproduktion quantifiziert und den Verursachern in Rechnung gestellt werden. Denn nur durch Kostenwahrheit werden schlussendlich faire Bedingungen in der Landwirtschaft sicherzustellen sein.
Über den Autor
Mag. Florian Egger studierte Umwelt- und Bioressourcenmanagement und Ökologische Landwirtschaft an der Universität für Bodenkultur mit dem Forschungsschwerpunkt auf Bodenprozesse. Mit diesem Wissen und seiner Praxiserfahrung setzt er sich für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion ein.
- Unter Biodiversität versteht man die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören (siehe UN-Biodiversitätskonvention). Die Biodiversität ist eine jener neun planetaren Grenzen, für die nach der vielbeachteten Studie von Steffen et.al. (2015) globale Schwellenwerte eingeführt werden sollen, will man die Erde nicht ernsthaft gefährde
- Genome Editing
ist ein Sammelbegriff für molekularbiologische Techniken zur zielgerichteten Veränderung von DNA, einschließlich des Erbguts von Pflanzen, Tieren und Menschen.
Zumindest wurde in Europa der neuen Gentechnik vorerst ein Riegel vorgeschoben. Auch Organismen, die durch neues Genome Editing erzeugt wurden, müssen die Prüf- und Kennzeichnungspflichten nach der bisherigen Verordnung für gentechnisch veränderte Organismen befolgen. - Schlag
Eine zusammenhängende landwirtschaftlich nutzbare Fläche