Wirtschaftsaufschwung und Zukunftsfähigkeit? Nicht unbedingt die ersten Assoziationen mit Afrika. Wenn wir – abseits vom Tourismus – an den Kontinent denken, dann meist im Zusammenhang mit Hunger, korrupten Politsystemen, Kriegen und Vertreibung. Dabei gibt es auch zuversichtlich stimmende Nachrichten: So ist der Anteil der in Subsahara-Afrika in absoluter Armut lebenden Menschen von 56 Prozent der Bevölkerung im Jahr 1990 auf 42,6 Prozent im Jahr 2012 gesunken. Das BIP hat sich in den letzten 15 Jahren verdreifacht, das Pro-Kopf-Einkommen verdoppelt.
Start-ups pushen Digitalisierung in Afrika
Noch weniger bekannt ist, dass es auch ein Afrika der zukunftsfähigen Innovationen und Start-up-Szenen gibt – wobei die Dynamik von den Sektoren Internet und Mobiltelefonie ausgeht. Bis 2020 sollen 60 Prozent des Kontinents ans digitale Breitbandnetz angeschlossen sein, was eine Verfünfzehnfachung des Datentransfers mit sich bringen wird. In der mobilen Telefonie ist man schon dort: Rund zwei Drittel der 1,2 Milliarden Menschen nutzen sie bereits. Afrika hat gleich mehrere elektronische Zeitalter – wie Festnetztelefonie, Großrechenanlagen oder PC – einfach übersprungen und ist nun der erste „Mobile only“-Kontinent. Im „Silicon Savannah“ in Nairobi sind über 500 Start-ups aktiv, die auf der Höhe der Technologie agieren, ja diese sogar vorantreiben.
Mobiles Geld am Smartphone
„Mobile Money“ ist überhaupt eine afrikanische Erfindung, das Unternehmen M-Pesa – Kisuaheli für „mobiles Geld“ – trat bereits 2007 als erste „mobile Bank“ der Welt in Erscheinung. Die Idee: Man zahlt Bargeld bei einem M-Pesa-Agenten ein, das dem SIM-Karte zugeordneten Konto gutgeschrieben wird. Dazu mussten die Sim-Karten mit zusätzlichen Funktionen ausgestattet werden. So wird nun das Smartphone, aber auch das einfache Handy zur Erledigung der Bankgeschäfte – zum Überweisen der Strom-, Wasser- und sonstigen Rechnungen, zum Bezahlen an der Kasse wie eine Bankomatkarte, als Kreditkarte, zur Abbezahlung von Krediten oder zum Ansparen – verwendet. Selbst die Kreditvergabe erfolgt mobil. „In Afrika entstehen so viele neue Dinge auf diesem Gebiet, weil man quasi aus dem Nichts mitten im Mobiltelefon-Zeitalter gelandet ist. In Ländern, in denen die wenigsten überhaupt ein Bankkonto besitzen, bekommen sie allein durch ihr Handy Zugang zu Mikrokrediten, die wiederum ein wesentlicher Faktor bei der wirtschaftlichen Entwicklung sind“, sagt Hans Stoisser, Unternehmer, Berater und Autor mit langjähriger Afrika-Erfahrung.
Learning Journey ins Silicon Savannah
Afrika Management-Experte Hans Stoisser und Karin Krobath, Partnerin der Branding-Agentur Identitäter, veranstalten von 29. Jänner bis 1. Februar 2018 die erste österreichische Learning Journey ins Silicon Savannah von Nairobi, Kenia. Die Teilnehmer lernen Nairobis Start-up-Szene kennen und besuchen die SBS Strathmore Business School, Ostafrikas renommierteste Business School.
Nachhaltige Innovationen für die Bevölkerung
Was hat das alles mit Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit zu tun? Überraschenderweise werden all die neuen Apps, Produkte und Dienstleistungen nicht ausschließlich für die Mittelschicht entwickelt, sondern etliches davon auch für die ärmeren Bevölkerungskreise. In der Innovationsplattform iHub etwa arbeiten junge Vordenker an Apps für preisgünstige Handys. Die mobile Lernplattform Eneza erreicht mehr als drei Millionen Nutzer zwischen zehn und 25 Jahren in ländlichen Regionen. Das Start-up M-Farm informiert Landwirte über die Preisentwicklung und hilft ihnen bei der Entscheidung, wann der beste Zeitpunkt ist, mit ihren Produkten in die Stadt zu fahren – wodurch zugleich auch Zwischenhändler ausgeschaltet werden. Die App E-Cow gibt Rinderzüchtern veterinärmedizinische Auskünfte, weitere Apps bieten Landwirten Aussaat-Tipps, bilden Krankenpfleger per Fernkurs aus und erteilen medizinische Ratschläge. Ein weiteres Start-up ist Brck, das Savannengebiete mit Wifi-Netzwerken versorgt und Schulklassen mit Laptops ausrüstet.
Solarkraft macht Energieversorgung zukunftsfähig
Die Firma M-Kopa verkauft Solaranlagen und hat damit auch deshalb Erfolg, weil die öffentliche Stromversorgung 70 Prozent des Landes nicht erreicht. Die Solarzelle hingegen liefert genügend Strom, um drei LED-Glühbirnen sowie ein Radio zu versorgen und das Handy aufzuladen. Das allein ist für viele, die früher kilometerweit laufen mussten, um den Akku kostenpflichtig zu füllen, eine ungeheure Erleichterung. Auch die Kerosinkosten für die Lampen fallen weg. Das „große“ Paket beinhaltet einen – ebenfalls von Solaranlage gespeisten – TV-Apparat. Da die Mobilfunkabdeckung landesweit gut ist, können sich die Kunden so auch ohne Stromversorgung die Segnungen von Internet und Mobiltelefonie ins Dorf holen. Das Flimmern des Bildschirms, könnte man sagen, ersetzt das Lagerfeuer – beides zumindest ein gemeinschaftliches Erlebnis. Die monatlichen Raten werden mit dem erwähnten mobilen Bezahlsystem von M-Pesa abbezahlt. Auch das deutsche Unternehmen Mobisol bietet diese Art von „Off-Grid“-Solaranlagen in mehreren afrikanischen Ländern an.
Sauberes Wasser für Afrika
Ein bemerkenswertes Projekt hat schließlich der Österreicher Martin Wesian mit seiner Firma Helioz ins Leben gerufen. Wesian, der sich selbst einmal in Venezuela durch verschmutztes Wasser mit Cholera angesteckt hatte, entwickelte ein UV-Messgerät namens Wadi (für Water Disinfection). Wadi wird neben Pet-Flaschen gelegt, die mit infiziertem Wasser gefüllt sind, und zeigt an, wann diese dank der UV-Einstrahlung der Sonne desinfiziert sind: Eine preisgünstige Methode, um sauberes Wasser zu bekommen, zudem auch umweltfreundlich, da weder Filter noch Batterien oder Chemikalien benötigt werden. Wadi wird seit 2010 in Afrika, Asien und Südamerika vertrieben.
Fakt ist somit: Afrikanische Länder digitalisieren mit einer rasanten Geschwindigkeit. Auch wenn Innovationskraft, smarte Technologien und Wirtschaftsaufschwung bisher für viele nicht ins Bild des Kontinents passten – in Zukunft werden Sie sich wohl daran gewöhnen müssen.