Als Mathematiker liebe ich es, genau auszurechnen, welche von mehreren Möglichkeiten die beste ist. Mit einer Ökobilanz wird wissenschaftlich untersucht, was für die Umwelt am besten ist. Das Ergebnis entspricht oft nicht dem, was man intuitiv erwarten würde.
Eine Einweg-Verpackung aus Glas erweist sich als gar nicht so umweltschonend. Biologisch abbaubare Kunststoffe sind am Komposthaufen nur eine Verschwendung. Druckfarben aus Mineralöl sind umweltfreundlicher als Pflanzenölfarben weil sie keine so hohen Temperaturen zur Trocknung benötigen.
Papierkuverts verursachen eine höhere Umweltbelastung als dünne Hüllen aus Plastik, denn Papier ist sehr energieintensiv in der Herstellung. Arme Menschen leben im Allgemeinen umweltfreundlicher als reiche.
Was mir weniger gefällt: Die Ergebnisse von Ökobilanzen hängen immer ganz wesentlich von den zugrundeliegenden Annahmen ab. Welche der Realität näher kommen, ist oft umstritten. Ich bin ein Experte für den Strommarkt, und mir fällt auf:
- Wenn von eingespartem Strom die Rede ist, vergleicht man immer mit konventionellen Kraftwerken. Dadurch kommt man auf eine hohe Ersparnis an Kohlendioxid.
- Wenn umgekehrt zusätzlicher Stromverbrauch zu bewerten ist, heißt es plötzlich: Das kommt auf die Herkunft des Stroms an. Wenn Ökostrom gekauft wird, sei die Ökobilanz makellos.
Aus meiner Sicht ist das reines Schönrechnen. Wenn der Ökostrom im Elektroauto verfahren wird, steht er nicht mehr zur Verfügung, um Kohlestrom zu ersetzen. Das gilt auch dann, wenn man sich extra eine Photovoltaikanlage gekauft hat, um das Elektroauto aufzuladen. Es handelt sich hier nicht unbedingt um „zusätzlichen“ Strom, den man bedenkenlos verbrauchen könnte, denn die Aufnahmekapazität des Stromnetzes für Solarstrom ist begrenzt. Auch die Förderungen, ohne die kaum eine Photovoltaikanlage errichtet wird, sind begrenzt. Wir brauchen das ganze begrenzte Potenzial für die Energiewende bei der Stromerzeugung, die in Österreich leider kaum vorankommt. Von Ökostrom-Überschüssen kann noch lange keine Rede sein.
Auf Hausdächern sollten zuerst Sonnenkollektoren zur Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung errichtet werden – Wärme lässt sich schwieriger transportieren als Strom aus Solarzellen. Erneuerbare Wärme ist ebenfalls knapp. In Österreich könnten gerade mal 545 000 Haushalte ihre Heizung noch auf heimisches Holz, Biogas oder dgl. umstellen, gibt sogar der Biomasse-Verband selbst zu (Quelle: Bioenergie-Studie, S. 19 bzw. S. 10 im PDF). Deswegen wäre es falsch, in die Ökobilanz einer Holzheizung den Vorteil der annähernden CO2-Neutralität voll einzurechnen. Wenn man viel von der erneuerbaren Energie verbraucht, fehlt die anderswo und verursacht so indirekt Umweltbelastungen. Das gilt für Holz genauso wie für Ökostrom. Alle sollten sparen.
Bei noch umfassenderer Sichtweise muss man Folgeeffekte berücksichtigen. Im Fall des Elektroautos besteht z. B. die Gefahr, dass die stolzen Autofahrer, die reinen Ökostrom laden, nicht mehr auf den Bus warten werden. Dadurch steigen der Energieverbrauch und – über Umwege – die Emissionen. In Ökobilanzen wird das gerne der Einfachheit halber vernachlässigt.
Es erscheint mir sogar durchaus plausibel, dass die Menge an fossiler Energie, die insgesamt auf der Welt verbraucht wird, gleich bleibt, wenn wir weniger davon verbrauchen. Das hieße dann aber, dass sich für die Umwelt nichts verbessert, wenn wir weniger – und andere Menschen dafür mehr – von dem vorhandenen Erdöl, Erdgas und der Kohle verbrauchen („grünes Paradoxon“). Wie will man das in einer Ökobilanz berücksichtigen?
Wolfgang Pekny demonstriert die prinzipiellen Schwierigkeiten von umfassenden Ökobilanzen am Beispiel des Rauchens: Sind Zigaretten umweltfreundlich, weil ein Raucher eine verringerte Lebenserwartung hat? Der verbraucht ja dementsprechend weniger Ressourcen …