J.J. Rousseau sprach von Bauern noch als die wahren Menschen. Unsere Bauern, die inzwischen längst Unternehmer geworden sind, produzieren Unmengen, Massen an Milch. Der Stalldurchschnitt Milch pro Kuh steigt und steigt und steigt. Und wir, wir reagieren auf dieses weiße Ding mit Unverträglichkeiten, Allergien! Der Körper stößt ab, was ihm nicht gut tut.
Proteine, die bei ihrem Anbau die Welt verwüsten, ganze Ethnien auslöschen, die Versklavung vorantreiben, werden aus aller Welt in den Stall gekarrt, denn die Leistung des Viehs muss und muss gesteigert werden.
Die Steigerungsmöglichkeiten übers Futter sind langsam ausgereizt, erschöpft.
Und nun?
Jetzt kommt Propylenglykol ins Spiel im Milchkuhstall, und geschützte Aminosäuren. Die Leistung pro Kuh muss unter allen Umständen vorangetrieben werden. Auf Teufel komm raus wird produziert.
Viel Geld wurde in die wunderbaren Ställe investiert. Der Schuldendruck ist hoch. Und die Rinder leben in den grandiosen Laufställen, mit Futterautomaten und Melkautomaten auf Spaltenböden über ihrer eigenen Scheiße und den Ammoniakdämpfen.
Das ist die herrliche Welt unserer Rindsviecher.
Und beim Fleisch? Unglaubliche Massen von Fleisch vereinnahmen wir, es nährt uns längst nicht mehr, daher die Massen, die wir in uns hineinstopfen. Wir essen in uns hinein und bekommen nicht genug. Trotz der übervollen Fleischtöpfe! Nur unsere Körper werden immer voluminöser.
Da sich kein Geschmack mehr einstellt, kippen wir absurde Mengen an Gewürzen von allen Enden und Ecken der Welt übers Fleisch um irgendwie einen Geschmack noch zu simulieren.
Wir simulieren Leben, wir simulieren Genuss, da wir längst jeglichen Realitätsbezug verloren haben.
Ein alter Bauer meinte einst zu mir: „Attrappen, nichts als Lebensmittelattrappen würgen die Menschen in sich hinein.“
Er nannte sich einen Edelvegetarier, der sich die Gräser, Kräuter auf seiner Alp von seinen Rindern veredeln ließ.
Mein Gott, würden sich die sogenannten Genussmenschen mit der Herrlichkeit des vierteiligen Rindermagens und des Pansen auseinandersetzen, begriffen sie wozu ein Rind befähigt ist, aus nichts als Gras und Sonnenenergie, die herrlichste Milch zu produzieren, die uns Menschen groß, stark, schön und gescheit machte.
Aber das ist lange her und von all den Attrappen bleibt uns auch die Gescheitheit nicht mehr.
Vieh, das auf der Weide gehalten wird, veredelt in seinem Blättermagen die Kräuter und Blumen der Weide zu einer unglaublichen Qualität, Genussqualität vom Fleisch, dass Ihnen Sehen und Hören vergeht.
Endlich, endlich könnten Sie erfahren, was Genuss heißt.
Rinder, abseits vom Schweinefutter gehalten, vermögen uns zu verzaubern.
Es ist der Anblick von Rindern auf der Weide, wiederkauend, lässig auf der Weide sich bewegend, der für uns etwas magisch Schönes hat.
Und dann die Milch von so gehaltenen Viechern, nichts Attrappen ähnliches haftet ihr mehr an, es ist die wahre Milch, ein Genuss und Heilmittel. Und das Fleisch dieser so lebenden Tiere, vermag uns sprachlos, glücklich zu machen.
Der Tod eines Tieres ist immer ein Schock für uns!
Das Tier gab sein Leben für uns hin. Umso wichtiger ist, dass das Tier ein gutes, ein sehr gutes Leben hatte, nur dann vermag sein Fleisch uns zu nähren, unsere Seele, unseren Geist und unseren Körper, auf dass wir Gutes stiften in der Welt.
Und für alle Veganer, wann haben Sie zuletzt von einem reifen Gemüse gehört?
Was wir essen, ist immer unreif. Nicht fürs Essen geeignet. Es bräuchte noch auf dem Feld Pflege und Sonne, dann wäre das Gemüse erst ein Genuss mit einem unendlichen Geschmackstableau.
Aber wir haben dafür keine Zeit und kein Sensorium mehr. Wir schütten es zu mit Gewürzen und wissen nicht mehr was wir essen.
So geht es uns überall.
Die Ernährungswende, wollen wir sie überhaupt?
Sie verlangte uns viel ab, an Achtsamkeit, an einem völlig anderen Umgang mit unseren Lebensmitteln, an einem verantwortungsvollen und bezogenen Umgang mit den Urproduzenten, es forderte von uns einen anderen, gänzlich anderen Umgang mit der Welt, der Natur, den Tieren und den Menschen ein.
Zu aller erst müssten wir zu solidarischen Menschen werden, erst dann wird es die Ernährungswende geben.
Die Ernährungswende können wir nicht kaufen, wir können sie nur gestalten.
Schwören Sie den Lebensmittelattrappen ab und machen Sie sich auf, vielleicht erspähen Sie am Horizont einen Zipfel von der Wende!
Helfen Sie den Bauern wieder Bauern zu werden, geben Sie sich dem Abenteuer hin, wieder zu schmecken, wie es schmeckt, das einfache Salatblatt und der Schluck Milch von einer Kuh, die gehalten wird, wie es ihrer Art und ihrer Möglichkeit entspricht. Fern jeglicher Qualzucht!
Lassen Sie alles Komplizierte fahren und wenden Sie sich dem Ursprünglichen und Einfachen zu und wissen Sie immer von wem Ihr Lebensmittel kommt, welche/r Bauer/Bäuerin steckt dahinter und wie arbeitet er/sie.
Dann machen Sie schon die ersten Schritte hin zur Wende.
Glück auf!
Werner Lampert (geboren 1946 in Vorarlberg/Österreich) zählt zu den Wegbereitern im Bereich nachhaltiger Produkte und deren Entwicklung in Europa. Der Biopionier beschäftigt sich seit den 1970er-Jahren intensiv mit biologischem Anbau. Mit Zurück zum Ursprung (Hofer) und Ja! Natürlich entwickelte er zwei der erfolgreichsten Bio-Marken im deutschen Sprachraum.