Vom Reden,
Kleben und Handeln

Jahrzehnte redeten sich Klimawissenschaftler*innen den Mund fusselig. Lange Zeit ohne nennenswertes Echo, weder in den Medien, noch in der Politik. Und man muss ja zugeben: die Geschichte unseres möglichen zivilisatorischen Untergangs durch Erderhitzung ist harter Tobak. Sobald wir uns auch nur annähernd ausmalen, welches Ausmaß diese Krise haben könnte, fühlen wir uns ohnmächtig, verdrängen und stecken den Kopf in den Sand.

Ich persönlich würde mir ja niemals freiwillig einen Horrorfilm anschauen. Nicht einmal den Trailer. Aber bei der Klimakrise kann ich nicht wegschauen. Ihr ins Auge zu sehen, heißt nicht, einen Horrorfilm der übelsten Art über sich ergehen zu lassen, sondern zu verhindern, dass durch unser Wegschauen unsere Kinder und Enkel*innen gezwungenermaßen Protagonist*innen in diesem Film werden. Wer Kinder und Enkel*innen lieber in einer leichter verdaulichen Sommer-Komödie wiederfinden möchte, gelangt unweigerlich zur Frage: Wie kann man die breite Masse für den Klimaschutz gewinnen?

Denn wir wissen mehr, als wir tun  

Wissen allein genügt dafür nicht, soviel steht fest. 80 Prozent der EU-Bürger*innen stufen den Klimawandel als „sehr ernstes“ Problem ein (Eurobarometer Umfrage 2021). Es gibt kaum ein Thema, bei dem wir so geschlossen einig sind. Wir ‚wissen‘ genug über das Problem und seine Ursachen. Was leider aber nicht bedeutet, dass auch 80 Prozent der Menschen dadurch konsequent umgedacht haben und danach handeln, sonst würden wir heute kaum noch CO2 in die Luft blasen.

Auch die Lösungen sind weithin bekannt. Frage eine beliebige Schulklasse, wie ambitionierter Klimaschutz aussieht. Die Schlagworte für die Klimawende liegen zuverlässig in 10 Minuten auf dem Tisch: Umsteigen auf erneuerbare Energie, Öffi fahren, wo es geht, weniger fliegen, gesund Essen mit weniger Fleischanteil, CO2 angemessen bepreisen, überlegen, was man wirklich braucht, keinen Schnickschnack kaufen etc.

Das zeigt, dass Wissen und Handeln leider oft meilenweit auseinander liegen. Wir fliegen in den Urlaub, verschieben die Mobilitätswende, weil wir „ein Autoland schlechthin“ sind (Zitat Bundeskanzler Österreich), tragen Fast Fashion, essen oft billig und wenig klimafreundlich etc.

Womit wir bei DER Kluft angekommen wären. Einer Kluft, die sich irgendwo in den Falten unseres Gehirns versteckt, uns aber effektiv von unserer Zukunft trennt und dadurch die Geschicke der Welt lenkt. Die Rede ist von der Kluft zwischen Wissen und Handeln, in der Fachwelt „Value-Action Gap“ genannt.

Klimakommunikation, die einschlägt, ohne zu erschlagen

Genau diese Kluft will „effektive Klimakommunikation“ überbrücken. Die Betonung liegt auf „effektiv“, denn Klimakommunikation allein, sagt noch nichts über deren Wirksamkeit aus. Sie besteht lediglich im Versuch, andere Menschen für den Klimaschutz zu gewinnen.

Klimakommunikation ist ein breites Feld: vom Klima-Info-Flyer, über die Sonntagspredigt zur Schöpfungsverantwortung, Zeitungsberichte über katastrophale Klimafolgen, Videos bis hin zu Klima-Klebe-Aktionen fällt vieles in diesen Topf.

Diese Vielfalt zeigt, dass es in der Klimakommunikation kein „Breitband-Antibiotikum“ für alle gibt. Nichts wirkt auf alle gleich. Auch hier gibt es Resistenzen, abhängig davon, ob man es z.B. mit einer konservativen, liberalen oder zivil ungehorsamen Gruppe zu tun hat. Die einen reagieren allergisch auf Klima-Demos und angeklebte Hände. Andere – die tief im Thema drin stecken – verzweifeln an viel zu zahnlosen Maßnahmen. Ein und dasselbe Foto zu oder von einem Klima-Ereignis kann einer eine schlaflose Nacht bescheren, und einen anderen völlig unbeeindruckt lassen. Deshalb ist es wichtig, diese Gruppen nicht über einen Kamm scheren zu wollen, sondern jede Gruppe dort abzuholen, wo sie mit-kann.

„Effektive“ Klimakommunikation baut auf einigen wichtigen Prinzipien auf:

  • Sie gibt uns eine Information, die wir vorher nicht hatten.
  • Sie berührt uns emotional.
  • Sie gibt uns das Gefühl mit unseren Sorgen nicht allein zu sein.
  • Sie zeigt Lösungen auf, die für uns heute und hier umsetzbar sind.
  • Und inspiriert und weckt den Wunsch in uns, unmittelbar zu handeln und Teil der Lösung anstatt des Problems zu werden.

Mehr als Fakten

Das Universum besteht aus Geschichten, nicht aus Atomen.

Muriel Rukeyzer in ‚The speed of darkness‘
US-Amerikanische Schriftstellerin und politische Aktivistin

Erlesene, einprägsame Klimafakten sind unbestritten der Grundstock effektiver Klimakommunikation. Bleiben Fakten oder Prognosen auf sich allein gestellt, detonieren sie jedoch einfach nur wie eine Bombe und hinterlassen Chaos.

So haut viele beispielsweise die Granatenmeldung des Weltklimarats fast um, dass in einer +2°C Welt quasi alle Korallen (>99 Prozent, IPCC Bericht) aus unseren Meeren verschwinden. Ohnmacht und Verdrängung setzen unmittelbar ein (mehr dazu unter Nachhaltigkeit ist Kopfsache). Wodurch wir erstarren und weiter tun wie bisher. Dabei sollten doch genau solche Fakten jeden noch so verpennten Klimakrisen-Langschläfer endlich wachrütteln?

Was dieser Art von Information manchmal fehlt, ist etwas, wodurch wir die Fakten verdauen und verinnerlichen können. Dabei geht es nicht um Schönfärberei, sondern darum handlungsfähig zu bleiben und die eigene Wirksamkeit zu sehen. Geschichten sind diesbezüglich ein guter Schlüssel. Geschichten, die den ganzen Bogen spannen: vom Problem bis zu Lösungsansätzen.

Gute Beispiele der Klimakommunikation

Beispiele dafür gibt es zum Glück schon viele. Wer sich von solchen Geschichten inspirieren lassen möchte, möge sich z.B. die Projekte durchsehen, die für den K3-Preis für Klimakommunikation eingereicht und ausgezeichnet wurden.

Vielen dieser Geschichten gelingt eine schwierige Gratwanderung: sie schlagen ein, ohne zu erschlagen. Sie gehen sorgsam mit Angst und Katastrophen um. Denn: die Dosis macht das Gift. Was nicht bedeutet, dass sie drohende Klimafolgen tabuisieren. Und im Gegenteil ebenso wenig bedeutet, an zwanghaft positivem Wunschdenken festzuhalten. Sie nutzen die Kraft, die in der Mitte zwischen Angst und Zukunftssehnsucht liegt. Wo es etwas zu verlieren gibt, gibt es auch etwas zu gewinnen. Darüber sprechen sie.

Kleine und große Vorbilder: beides zählt

Auffallend oft erzählen diese Geschichten von Menschen, mit denen wir uns identifizieren können. Egal ob Klima-Ikone oder Menschen, wie du und ich, die begonnen haben, etwas zu ändern. Es braucht auf jeden Fall beides. Und möglichst viele davon.

Vorbildwirkung ist ein starkes Zugpferd, da wir uns gerne sozial vergleichen und inspirieren lassen. Wichtig ist auch: Vorbilder bringen den nächsten möglichen Schritt ins Blickfeld. Und genau diese Schritte müssen wir kennen, um handlungsfähig und selbstwirksam zu sein.

Egal, ob es der Einstieg ins Carsharing, die eigene PV-Anlage, regionales Bio-Essen im Kühlschrank, politisches Engagement für Klimathemen oder vielleicht – für Fortgeschrittene – auch lautstarker und unmissverständlicher Protest ist.

Wege gibt es viele! Welcher davon deiner ist, kannst du selbst entscheiden.


Sybille Chiari
Sybille Chiari

Dr. Sybille Chiari arbeitet seit vielen Jahren in der Klima – und Nachhaltigkeitskommunikation. Sie betreut und berät einschlägige Forschungsprojekte, Klimaschutz- und -bildungsprojekte und ist Managerin der Klima- und Energiemodellregion Vöckla-Ager. Privat ist sie Obfrau des Vereins Bele Co-Housing (Gemeinschaftswohnprojekt mit biologischer, regenerativer Landwirtschaft www.belehof.at).

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