Wer von Egg kommend den Ort Andelsbuch in Vorarlberg mit dem Auto durchfährt, stößt linkerhand auf ein beeindruckendes Gebäude. Direkt neben dem alten Bahnhof, vor den Gleisen des ehemaligen „Wälderbähnle“, findet sich das Zuhause des Werkraums Bregenzerwald. Erbaut vom renommierten Schweizer Architekten Peter Zumthor, ist der moderne Bau aus Glas und Holz ein weithin sichtbares, markantes Zeichen für die Kultur des Handwerks in der Region.
Handwerk hat lange Geschichte in der Region
Über 90 Meisterbetriebe haben sich im Werkraum Bregenzerwald zusammengeschlossen. Die Mitglieder sind mittelständische, in der Regel familiengeführte Unternehmen. In ihnen lebt die Jahrhunderte alte Handwerkstradition der Region weiter. Bis heute hat das imposante Erbe der Bregenzerwälder Barockbaumeister nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt. Die von ihnen im 17. und 18. Jahrhundert in der Bodenseeregion, im Allgäu und bis ins Elsass erschaffenen Kirchen und Klöster sind Ausdruck jener Stärke, die den Landstrich zu einer der kulturhistorisch bedeutsamsten Gegenden Österreichs macht.
Werkraum entstand aus Notlage heraus
Das Handwerk hat im Bregenzerwald seit jeher besonders goldenen Boden. Gegenwärtig sind in der Region rund 40 Prozent der Erwerbstätigen in Gewerbe- und Handwerksbetrieben beschäftigt. Eine vergleichbare Dichte sucht man in ganz Europa vergebens. Dabei war die allgemeine Lage zu Beginn der 1990er-Jahre eher trist. „Es sah nicht rosig aus“, bestätigt Thomas Geisler, Geschäftsführer des Werkraums Bregenzerwald. „Die wirtschaftliche Realität vieler Handwerksbetriebe war nicht gut. Das führte teilweise sogar zu Schließungen.“ Kein Wunder: Ein Drittel aller Unternehmen war beispielsweise im Tischlergewerbe verankert. Eine Konkurrenzsituation, in der früher oder später jemand auf der Strecke bleiben musste.
Regionale Betriebe schlossen sich zusammen
Doch die Region schaffte die Kehrtwende. Es gelang, ihre urtümliche Stärke in die Moderne zu transferieren – durch Kooperationen. Anstatt ausnahmslos zu konkurrieren, bündelten die Bregenzerwälder Handwerksbetriebe auf vielerlei Ebenen ihre Kräfte und machten so den einen großen Nachteil der Region wieder wett: die geringe Größe.
Geisler: „Die Verantwortlichen haben damals zum Glück erkannt, dass es nur gemeinsam wieder bergauf gehen kann. Miteinander statt gegeneinander.“
Man schrieb das Jahr 1999. Der Werkraum war geboren. Heute sind mehr als 90 Betriebe aus allen möglichen Sparten durch den Verein verbunden. Eine Mitgliedschaft ist dabei an den Betriebsstandort Bregenzerwald geknüpft. Produziert wird nach Möglichkeit mit Materialien aus der Region, für die Region.„Ziel war es unter anderem“, erklärt der Geschäftsführer, „ein Label beziehungsweise ein Qualitätssiegel für die Region zu schaffen. Davon profitieren heute auch Nicht-Mitglieder.“
Ein Schaufenster für das Handwerk
Ihr wunderschönes Zuhause hat die Initiative seit 2013. In diesem Jahr wurde das Werkraumhaus eröffnet. „Als große Vitrine und ständiges Schaufenster für das Handwerk“, erklärt Geisler. Neben Sonderschauen und Ausstellungen von Möbeln und Objekten aus Bregenzerwälder Meisterwerkstätten gibt es einen Shop mit regional hergestellten Handwerksprodukten, sowie Fachliteratur zum Handwerk. „Es ist aber auch ein Platz des Zusammenkommens. Jeden Tag von 12 bis 14 Uhr gibt es einen Mittagstisch, an dem sich Handwerker und Menschen aus der Nachbarschaft treffen. Ein wichtiger Ort des Austausches in der Region.“ Auch für Veranstaltungen findet sich ausreichend Platz.
Auf zur Werkraumschau Licht!
Pro Jahr gibt es zwei große Ausstellungsprojekte im Werkraumhaus in Andelsbuch. Bei der Werkraumschau vom 21. Oktober 2017 bis 26. Mai 2018 dreht sich alles um das Thema Licht als Gestaltungsmedium. Im Zentrum stehen Erzeugnisse aus verschiedenen Werkstätten in einer Licht-Inszenierung aus Scheinwerfern. Informationen zu Tickets und Öffnungszeiten: werkraum.at.
Zuvor wurde die jüngere Bregenzerwälder Handwerkskultur besonders durch den Wettbewerb Handwerk+Form geprägt. Im Jahr 1991 erstmals ins Leben gerufen, bringt dieser seit 2000 im Dreijahresrhythmus Architekten, Designer und lokale Meisterbetriebe zusammen. Die so entstehenden Exponate finden weit über die regionalen Grenzen hinaus Verbreitung. Bis in die USA sogar. Internationale Arbeitsbeziehungen wurden und werden auf diese Art und Weise geknüpft. Und die Handwerker haben sich auch mit gestalterischen Innovationen einen Namen gemacht.
Werkraumschule als Bewahrer des Erbes
Damit das auch in Zukunft so bleibt, gilt es, Kinder und Jugendliche für die Kultur des Handwerks zu begeistern. Beispielsweise mit dem Werkraum Lädolar – einem Schau- und Lernmobil für Lehrberufe im Handwerk – oder der Werkraum Kinderbaustelle. Eine weitere wichtige Initiative ist die Werkraumschule Bregenzerwald – eine Kooperation mit den Bezauer Wirtschaftsschulen. „Für Kleinbetriebe sind Auszubildende ein finanzielles und zeitliches Investment, das sich leider nicht immer lohnt“, weiß Geisler. „Mit einer Berufsorientierungsphase wollen wir die Jugendlichen auf ein Niveau bringen, auf dem sie den Einstieg in die Lehre leichter schaffen.“
Das 5-jährige Ausbildungsmodell umfasst einen Lehr- und Handelsschulabschluss sowie die Unternehmerprüfung. Der Lehrplan wird dabei dem Dachthema Handwerk angepasst, ein breites Wissen über alle Sparten wird vermittelt. „Das Verständnis für die Arbeit des Anderen ist essenziell“, weiß Geisler. Weil es gegeneinander eben nicht funktioniert. Nur miteinander – und davon profitiert eine ganze Region. Denn die meisten Lieferungen gehen noch immer an Kunden in Vorarlberg, ein Großteil der Wertschöpfung bleibt im Bregenzerwald. So leistet dieses Wirtschaften in engen Kreisläufen einen wichtigen Beitrag zum Wohlstand der Talschaft.
Über den Werkraum Bregenzerwald
Der Werkraum Bregenzerwald ist ein Impulsgeber und eine Plattform für das Handwerk in der Region. Im Jahr 1999 gegründet, zählt er heute mehr als 90 Mitgliedsbetriebe. Auf der UNESCO-Tagung im äthiopischen Addis-Abeba wurde der Werkraum im Dezember 2016 gemeinsam mit zwei weiteren österreichischen Handwerkszentren in das internationale „Register guter Praxisbeispiele für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes“ (Register of Good Safeguarding Practice) aufgenommen.