Sie beide zeigen in Ihrer Arbeit sehr anschaulich die großen Herausforderungen der Zukunft auf. Wie hoch ist heute das Bewusstsein für diese Probleme und wie bewegt man zum Handeln?
Helga Kromp-Kolb: Die Anzahl derer, die eine klare Vorstellung davon haben, was auf dieser Welt falsch läuft, wächst. Um Menschen zum Handeln zu aktivieren, braucht es jedoch Lösungsvorschläge und Visionen. Denn es ist viel einfacher auf etwas Positives zu zugehen als sich von etwas Schlechtem fern zu halten.
Veränderung bedeutet das Ablegen von Gewohnheiten. Das ist schwer, schließlich erfordert es einen Beschluss, einen Entschluss. Menschen setzen dies oft mit Verzicht gleich, ich bin aber überzeugt, dass es ein Gewinn an Lebensqualität wäre. Ist etwas anders als bisher, kann es sogar schöner sein! Ich hätte gerne, dass das viel mehr Menschen bewusst wird.
Werner Lampert: Das Wissen über die Herausforderungen ist bei den Menschen im Kopf angekommen. Wenn wir jedoch nur Probleme aufzeigen, machen wir die Leute handlungsunfähig und depressiv.
Ich bin ein großer Anhänger der Zivilgesellschaft, die Summe einzelner bewusster Menschen. Mit einer radikal solidarischen Gesellschaft werden wir die ersten Schritte zum Wandel tun und der Gewinn an Lebensqualität wird spürbar werden! Von der Politik hingegen ist in den nächsten Jahren nichts zu erwarten.
Kromp-Kolb: Zuerst muss jedeR einzelne bereit für den Wandel sein, dann werden auch die PolitikerInnen handeln, weil sie keine Angst mehr haben müssen, deshalb nicht gewählt zu werden.
Frau Kromp-Kolb hat den Verzicht angesprochen. Ist der Wandel wirklich ohne Verzicht möglich?
Lampert: Wenn man alle klimarelevanten Punkte wie die Sojaproduktion in Amerika, Bodenerosion, Dünger, Pestizide etc. zusammenrechnet, ist die Landwirtschaft der weltweit größte CO2-Emittent. Eine Umstellung auf biologische Landwirtschaft, die bereits erprobt ist und nachweislich alle ernähren kann, wäre nur ein kleiner Schritt. Man könnte sofort einsteigen!
Der Griff zu biologischen Lebensmitteln ändert viel, vor allem weil Lebensmittel täglich konsumiert werden. Der bewusste Einkauf bedeutet keinen Verzicht.
Kromp-Kolb: Zum bewussten Einkauf gehört auch ein geringerer Fleischkonsum, das ist nicht nur ökonomischer und ökologischer sondern auch gesünder. Bei unseren Großeltern war Fleisch die Sonntagsspeise. Damals hat der Großteil der Menschen körperlich schwer gearbeitet, es ist verrückt, dass wir uns heute immer noch ernähren als würden wir holzhacken.
Es geht darum, dem Statussymbol Fleisch die Symbolik zu entziehen. Es gibt köstliche vegetarische Speisen, es sind keinesfalls immer die gleichen „Körndln“. Dieses Bewusstsein kann man über Mensen schaffen, oder, wie ich immer wieder vorschlage, beim Bundesheer.
Lampert: Die Zeit des Statussymbols Fleisch ist zu Ende. Wenn ich sehe mit welchem Genuss Veganer speisen, bedeutet ein geringerer Fleischkonsum auch keinesfalls Verzicht.
Ist eine baldige große Veränderung realistisch?
Kromp-Kolb: Im Untergrund passiert heute schon vieles, was derzeit nicht sichtbar ist. Jede Gemeinde hat ihre Aktivitäten, und es ist gut möglich, dass die Veränderung nicht allmählich kommt, sondern plötzlich ein Umschwung passiert. Dazu fehlt lediglich noch ein Anstoß, welcher von einer Katastrophe, der Politik, aber am wahrscheinlichsten von der Zivilgesellschaft selbst kommen kann.
Lampert: Wir sind beide krankhaft pathologische Optimisten! Wir vertrauen, dass ein organischer Wandel möglich ist. Im Moment haben wir noch eine Wahl, in der Zukunft wird uns die Natur zur Veränderung zwingen.
Kromp-Kolb: Wir können es uns nicht mehr leisten pessimistisch zu sein, wir müssen jetzt die Ärmel aufkrempeln und handeln!
Ist wirtschaftliches Wachstum und Klimaschutz vereinbar?
Kromp-Kolb: Primär müssen wir unsere Natur, unsere Ökosysteme wertschätzen, denn sie sind unsere Lebensbasis. Die Wirtschaft ist nur eine Form, den Handel und die Arbeitsteilung zum Wohl der Menschen zu organisieren. Es können nicht Natur und Mensch für die Wirtschaft da sein.
Lampert: Solange wir Wachstum nur an das ökonomische konnotieren, wird uns nichts anderes als die Katastrophe bleiben. Aber unsere Gesellschaft bietet ja so viel Möglichkeit, so viel Platz für Wachstum, das Wachstum des persönlichen Glücks, des besseren, liebevolleren Umgangs miteinander. Wir können in Liebe und Freundschaft wachsen, wir können wachsen indem wir unsere Güter teilen. Da ist viel freier Raum.
Sie sprechen hier große Werte an, erachtet die junge Generation diese als wichtig?
Lampert: Früher war es wichtig das Ego zu stärken, das ist endgültig vorbei. In unserer Firma haben wir viele junge Leute, und ich bin begeistert, wie offen und klar sie sind. Die Menschen sind wach! Das hat die enorme Bewegung in der Causa Bienenschutz gezeigt.
Kromp-Kolb: Der Anteil der Jugend, die nur an Karriere, Macht und Geld denken ist klein und sogar die wären zu gewinnen. Zum Beispiel mit einer Wertediskussion an den Universitäten, dies ist zwar nicht üblich, aber nötig. Wenn diese Studierenden in Entscheidungspositionen kommen, wird dies Wirkung zeigen.
Wo stehen wir in 3 Jahren?
Lampert: Unternehmen setzen sich immer mehr mit Nachhaltigkeit auseinander, denn sie vermuten bereits, dass sie so vom Kunden besser akzeptiert werden. Offensichtlich ist in unserer Gesellschaft etwas unterwegs, was wir heute noch nicht erahnen.
In 3 Jahren werden wir feststellen, dass Vieles nicht gelungen ist, dafür anderes erfolgreich verlief, was wir nie erwartet hatten.
Kromp-Kolb: Die eigene Ungeduld und das Wissen, dass etwas schon längst geändert gehört, lässt uns die Erwartungen für die nächsten 3 Jahre sehr hoch setzen. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass wir Fortschritte erzielen werden, möglicherweise sogar sehr große!
Univ. Prof. Dr. Helga Kromp-Kolb
Meteorologin und Klimaforscherin und Leiterin des Instituts für Meteorologie und des Zentrums für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Universität für Bodenkultur, Wien.
Werner Lampert (geboren 1946 in Vorarlberg/Österreich) zählt zu den Wegbereitern im Bereich nachhaltiger Produkte und deren Entwicklung in Europa. Der Biopionier beschäftigt sich seit den 1970er-Jahren intensiv mit biologischem Anbau. Mit Zurück zum Ursprung (Hofer) und Ja! Natürlich entwickelte er zwei der erfolgreichsten Bio-Marken im deutschen Sprachraum.