Die Krise
als Chance

grüne Kugeln mit Stacheln
Krise als Chance

Stillstand, Leere, Ungewissheit, Überforderung, Angst, Panik, Schockstarre… das sind Gefühle, die uns derzeit überkommen können, und Trauer. Trauer? David Kessler, führender Experte in Trauerbewältigung, erkennt deutliche Parallelen in den menschlichen Reaktionen auf die Coronakrise zu den fünf Phasen der Trauer. Und er fügt eine sechste hinzu: das Erkennen eines Sinns.

Die Pandemie des neuartigen Coronavirus hat alles verändert, in Europa erleben wir derzeit massive Einschnitte in unser Privatleben. Vermutlich erstmals in unserem Leben empfinden wir einen deutlichen Verlust von Sicherheit, fühlen wir uns gar bedroht. Völlig neue Gefühle, Zustände brechen auf uns herein, wie wir sie nur aus Geschichtsbüchern, Erzählungen von älteren Verwandten oder den Nachrichten kannten – Weltwirtschaftskrisen, Existenzängste, Sorge um die Gesundheit. Wie können wir mit diesen Gefühlen umgehen? Und warum ist es überhaupt wichtig, dass wir uns mit ihnen auseinandersetzen?

Diese Krise ist eine Chance! Schon vor dem Auftauchen von SARS-Cov-2 herrschten große Missstände auf unserem Planeten. Doch sie ließen sich so wunderbar ignorieren, denn sie betrafen uns nicht direkt, fanden in anderen fernen Ländern statt, wie Waldbrände, steigende Meeresspiegel, Kriege und Hunger. Auch das Artensterben und die Klimakrise interessierten uns nicht, denn bedrohlich wurde uns das bisher nicht.

„Die Corona-Krise ist insofern anders als bisherige Krisen, weil sie tatsächlich jeden trifft und in die Lebensgewohnheiten von allen Menschen eingreift. […] Daher glaube ich, dass diese Krise langfristige Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben und zu Verhaltensänderungen führen wird“, sagt Krisenkommunikatorin Verena Nowotny.

Es klingt grausam und unbegreiflich, dass all der Frust, die Isolation, die Angst, etwas Gutes haben sollen. Aber in dieser Krise kann eine Kraft für Positives erwachsen. Dazu müssen wir die Situation annehmen, ihr einen Sinn geben, uns die Fragen beantworten: Warum sollen wir all das ertragen, was hat diese Krise ausgelöst, was können wir aus ihr lernen?

Durch diese Krise öffnet sich ein Zeitfenster in dem Menschen bereit für einen Wandel, sensibilisiert und bewusst sind. Und es liegt nun an uns, diese Chance wahrzunehmen!

Daher rückt das Online-Magazin das Thema „Krise als Chance“ in den Fokus.


5 Phasen der Trauer nach Elisabeth Kübler-Ross

  • Phase 1: Das Leugnen – dieses Virus wird uns nichts anhaben
  • Phase 2: Wut und Zorn– warum schränkt ihr meine Freizeitaktivitäten ein?
  • Phase 3: Das Verhandeln – gut, wenn ich 2 Wochen in Quarantäne bleibe, wird alles besser
  • Phase 4: Die Depression – wann wird das jemals besser?
  • Phase 5: Die Akzeptanz – es passiert, ich muss herausfinden, wie ich weitermachen kann

Die Kraft in der Krise – Wie nutzen wir die Chance?

Weinen Sie, trauern Sie um den Kontakt zu Ihren Liebsten, seien Sie wütend auf die Situation, lassen Sie die Gefühle zu und haben Sie keine Angst davor, dass sie überhandnehmen oder Sie dadurch die Kontrolle verlieren, denn das Gegenteil ist der Fall. Seien Sie dabei nicht zu streng mit sich selbst, es ist auch völlig normal aus Phase 5 zwischenzeitlich wieder zu vorangegangenen zurückzukehren. Vermeiden Sie aber auch, zu viel Negatives über die Pandemie zu lesen.

Portrait einer Frau mit kurzen gefärbten Haaren im Garten

Schlechte Nachrichten stumpfen ab, führen zu Resignation und noch viel schlimmer – zu Angst und Hilflosigkeit“, erklärt die Journalistin Susanne Wolf, die sich für konstruktiven Journalismus einsetzt.

Jedoch brauchen Sie jetzt Optimismus und Tatendrang, um aus der Krise gestärkt herauszugehen und um zu verhindern, dass wir zur sogenannten Normalität zurückkehren. Denn diese Normalität, war eine Krise, schreibt jetzt auch treffend Greta Thunberg. Es darf nicht passieren, dass die Wirtschaft gerettet wird, koste es, was es wolle! Es dürfen nicht das Sozialsystem, unsere Natur, der Klimaschutz und somit die Zukunft der kommenden Generationen geopfert werden. Sonst werden unsere Nachfahren über die Coronakrise nur lachen können.

Den Sinn erkennen

Derzeit ist neben Hoffnung auch großer Frust zu beobachten, verbunden mit Wut und Ärger über jene, die etwas Positives in der Krise sehen wollen. Und sie haben ja auch Recht damit, das Virus wurde nicht vom Himmel oder der Natur geschickt, damit wir aus vergangenen Fehlern lernen. Das heißt aber nicht, dass es nicht trotzdem dieses Potential birgt! Das heißt auch nicht, dass wir den Warnschuss nicht verdammt ernst nehmen sollten. Wir können noch von Glück sprechen, dass SARS-Cov-2 sich zur Pandemie entwickelte, mit einer geschätzten Sterblichkeit von max. 3%. In den letzten Jahrzehnten traten weitaus gefährlichere Krankheiten mit Sterblichkeiten zwischen 10-50% (SARS, Ebola) auf.

Lassen Sie uns also trotz allem das Positive sehen, der Krise einen Sinn geben, beschreiten wir gemeinsame die sechste Phase der Trauerbewältigung.

„Akzeptanz ist, wie Sie sich vorstellen können, wo die Kraft verborgen liegt. […] Ich wollte nicht bei der Akzeptanz aufhören, wenn ich persönliche Trauer empfand. Ich wollte einen Sinn in den dunkelsten Stunden erkennen. Und ich glaube wirklich, dass wir Licht in diesen Zeiten finden.“ David Kessler, Experte für den Umgang mit Verlust

Positive Begleiterscheinungen

Licht gibt es am Ende jeden Tunnels, in jeder Krise steckt auch Gutes:

  • Im Moment erleben wir eine unglaubliche Entschleunigung, wir werden gezwungen unsere täglichen Aktivitäten auf das Essenzielle zu reduzieren.
  • Uns wird die Vernetztheit der Systeme, unsere Abhängigkeit und die damit verbundene Verletzlichkeit vor Augen geführt. Eine Rückbesinnung auf lokale und regionale Wertschöpfung ist zu beobachten. Zukunftsforscher Matthias Horx beschreibt in seinem Artikel „Die Welt nach Corona“, dass jetzt die Zeit sei, die Globale Just-in-Time-Produktion, mit riesigen verzweigten Wertschöpfungsketten, bei denen Millionen Einzelteile über den Planeten gekarrt werden, zu demontieren.
  • Auch in der Vergangenheit hat die Menschheit aus Krisen gelernt.
Portrait eines gen Himmel blickenden bärtigen Mannes mit lockigem ergrauten Haar und Hornbrille

Ich dachte, es wird noch viele Generationen benötigen, bis wir zu einer kooperativen, radikal solidarischen Wirtschaftsform kommen werden. Doch Krisen können Entwicklungen, Notwendigkeiten dynamisieren“, freut sich Werner Lampert.

ein Block von bunten Zetteln mit einem Stift darauf
RitaE from Pixabay

Erfahrenes verinnerlichen

Das ist nur ein Teil der Vorteile der Coronakrise, vielleicht fallen Ihnen ganz andere auf. In jedem Fall wird es sie bei Ihnen geben, die Hochs in der Krise, ausgelöst durch die angenehme Ruhe vor der Haustüre, weil der tägliche Verkehr stark zurückgegangen ist, die angenehme Videokonferenz, die Ihnen die anstrengende Businessreise ersparte, den bewussten Spaziergang in der unmittelbaren Nähe, eine freundliche Geste eines Menschen, die Erkenntnis, was Sie im Leben wirklich glücklich macht, die plötzliche Motivation der Mitmenschen langfristig etwas zum Besseren zu verändern.

Schreiben Sie diese Momente auf. Schreiben Sie auch Wünsche für die Zeit nach Corona auf. Denn wenn die Systeme wieder hochgefahren werden, wird uns der Alltag schnell einholen. Doch unsere Wünsche und Träume, werden uns die Kraft geben, die Welt neu zu gestalten. Sammeln Sie Ideen, wie Sie die Welt anders gestalten würden, und teilen Sie diese mit uns in den Kommentaren. Haben Sie Gedanken zur Krise? Lassen Sie uns in einen regen Austausch treten. Alles Aufgeschriebene wird uns daran erinnern, wie wir uns fühlten damals. Damals als ein winziges Virus die Menschheit in die Knie zwang.

Quelle: „Das Unbehagen, das Sie spüren, ist Trauer – That Discomfort You’re Feeling Is Grief“ Harvard Business Review, 23.3.2020

Portrait einer Frau mit langen braunen Haaren und blauen AugenÜber die Autorin

Dr. Isabell Riedl ist seit 2012 als Nachhaltigkeitsbeauftragte und in der Kommunikation der Werner Lampert GmbH tätig. Sie studierte Ökologie mit Schwerpunkt Natur- und Landschaftsschutz und Tropenökologie an der Universität Wien. Ihre Dissertation verfasste sie über die Bedeutung von Baumreihen in landwirtschaftlichen Gebieten für Waldvögel in Costa Rica. Zeit ihres Lebens hat sie sich insbesondere der ökologischen Nachhaltigkeit verschrieben. Sie ist Teil des Redaktionsteam des Online-Magazins „Nachhaltigkeit. Neu denken.“

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